Nawab Nusrat Jang: Tarikh-i-Nusratjangi. Risala Darbayān-i-Ahwal-i-Jahangir Nāgar, Dhakā. An Official Account of Jahangirnagar, Dhaka, ediert und ins Englische übersetzt von Abdus Sobhan, hrsg. von Sharif uddin Ahmed, Dhaka: Asiatic Society of Bangladesh 2005, 106 S., ISBN 978-984-32-2559-7, USD 10,00
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Rizwi Faizer (ed.): The Life of Muhammad. Al-Waqidis Kitab al-Maghazi, London / New York: Routledge 2011
Gudrun Krämer: Der Architekt des Islamismus. Hasan al-Banna und die Muslimbrüder. Eine Biographie, München: C.H.Beck 2022
Nahyan Fancy: Science and Religion in Mamluk Egypt. Ibn al-Nafis, Pulmonary Transit and Bodily Resurrection, London / New York: Routledge 2013
Hugh Kennedy: The Byzantine and Early Islamic Near East, Aldershot: Ashgate 2006
Timur Kuran: The Long Divergence. How Islamic Law Held Back the Middle East, Princeton / Oxford: Princeton University Press 2011
Das vorliegende Buch ist eine neue Edition und die erste veröffentlichte Übersetzung des indo-persischen Geschichtswerkes Tārīḫ-i Nuṣratǧangī, das von Sayyid 'Alī Ḥusaynī Qazwīnī, bekannt als Nawwāb Nuṣrat Ǧang, um 1800 in Dhaka verfasst wurde. Dieser war unter der britischen East India Company Marionetten-Herrscher von Dhaka (reg. 1785/86-1822).
Nawwāb Nuṣrat Ǧang beschreibt in diesem kurzen Werk die politischen Ereignisse in Bengalen seit der Eroberung durch die Moguln bis in seine eigene Amtszeit als Vizegouverneur in Dhaka. Die Aktivitäten der jeweiligen Regenten, die in Dhaka herrschten, stehen dabei im Vordergrund. Es ist eines der persischen Geschichtswerke, die Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts in Bengalen und Bihar von Vertretern der muslimischen Eliten für die East India Company verfasst wurden.
In der kurzen, nach 1843 verfassten Fortsetzung, die in der vorliegenden Ausgabe ebenfalls enthalten ist, beschreibt der Höfling Ḥamīd Mīr die Nawwāb-Dynastie nach Nuṣrat Ǧangs Ableben. Nuṣrat Ǧangs Nachfolger hatten jegliche politischen Kompetenzen eingebüßt und waren Pensionäre der East India Company geworden. Dabei bot vor allem der letzte Vertreter der Dynastie, Nawwāb Ġāzī ad-Dīn (verstarb 1843), Anlass für allerlei Skandalgeschichten, deren detailreiche Schilderung Ḥamīd Mīrs Text eher ungewöhnlich macht.
Der persische Text des Tārīḫ-i Nuṣratǧangī wurde im Jahr 1908 durch Harinath De zum ersten Mal ediert und in den Memoirs of the Asiatic Society of Bengal veröffentlicht (nicht in den Bibliotheca Indica Series, wie im Vorwort des vorliegenden Buches vermerkt ist). [1] Lange Zeit wurde das Werk kaum rezipiert. In den letzten Jahren hat es jedoch größere Beachtung gefunden. So sind seit 2003 zwei Artikel und ein Lexikoneintrag dazu erschienen [2] und nicht zuletzt auch die vorliegende Edition mit der bislang ausstehenden englischen Übersetzung.
Der Herausgeber und Übersetzer der vorliegenden Ausgabe ist Abdus Sobhan (Fellow der Asiatic Society, Kalkutta). Das Buch ist in drei Teile gegliedert: Nach einem zweiteiligen Vorwort (1-4) folgen die englische Übersetzung (5-40) und anschließend der persische Text (41-94). Den Abschluss bilden das Nachwort von Sharif uddin Ahmed (Geschichtsprofessor und Direktor des Nationalarchivs von Bangladesch) zur Geschichte Dhakas (95-105) und ein englischer Index (106). Einige Illustrationen lockern das Buch auf.
Der von Abdus Sobhan im Vorwort dargelegte Hintergrund der Abfassung des Tārīḫ-i Nuṣratǧangī ist nicht auf dem neuesten Stand. Dass die neueren Beiträge zum Tārīḫ-i Nuṣratǧangī nicht berücksichtigt werden konnten, liegt daran, dass die vorliegende Edition und die Übersetzung gemäß Datierung des Vorworts von Abdus Sobhan bereits 2001 fertiggestellt waren, noch bevor die obgenannten Beiträge zu diesem Werk veröffentlicht wurden. Abdus Sobhan scheint allerdings auch keine Kenntnis von einem Artikel Abdul Karims aus dem Jahre 1962 gehabt zu haben [3], in dem dieser aufzeigt, dass Nuṣrat Ǧang das Tārīḫ-i Nuṣratǧangī um das Jahr 1800 für John Taylor, den Commercial Resident der East India Company in Dhaka, verfasst haben muss.
Im letzten Teil des Vorworts widerspricht der Herausgeber und Übersetzer zu Recht dem Vermerk H. F. Blochmanns (1838-1878) auf der Handschrift im Besitze der Asiatic Society in Kalkutta, wonach dieses Werk zu nichts nütze sei. Allerdings zieht er dazu anscheinend die Fortsetzung des Tārīḫ-i Nuṣratǧangī von Ḥamīd Mīr bei, obwohl sich H. F. Blochmanns Aussage nur auf Nuṣrat Ǧangs Teil des Werkes bezogen haben kann, da die Blochmann vorliegende Handschrift nur über diesen Teil verfügt. [4]
Abdus Sobhans englische Übersetzung bleibt trotz der teilweise komplexen Formulierungen im Original recht nahe am persischen Text. Dies hat einerseits zur Folge, dass der Inhalt detailgetreu wiedergegeben wird, der Stil der Übersetzung gelegentlich aber etwas holprig wirkt. Der englische Text ist dennoch gut verständlich.
Abdus Sobhan ist um eine korrekte und angemessene Übersetzung bemüht. Trotzdem gilt es die Einschränkung zu machen, dass in der Übersetzung an einigen Stellen wichtige Informationen fehlen. Auf Seite 5 etwa fehlt die kurze, aber wichtige Feststellung, dass Dhaka unter Gouverneur Islām Ḫān (reg. 1608-1613) nicht nur in Ǧahāngīrnagar umbenannt, sondern auch zur Hauptstadt der Provinz Bengalen gemacht wurde (vgl. 45 im persischen Text).
Daneben sind gelegentlich gravierende Übersetzungsfehler zu finden, die die Brauchbarkeit des vorliegenden Buches einschränken. Hierfür seien zwei Beispiele angeführt: Zu Beginn des Tārīḫ-i Nuṣratǧangī schreibt Nawwāb Nuṣrat Ǧang, dass er von den Engländern beauftragt worden sei, dieses Geschichtswerk zu verfassen, und nennt dabei neben seinem eigentlichen Namen zusätzlich die Variante mit allen Ehrentiteln, die der Mogulherrscher ihm verliehen hatte (44). Der Übersetzer hat diese Beifügung nicht als solche erkannt und daraus eine andere Person gemacht, die für die Abfassung des Buches um Erlaubnis gebeten worden sei (5).
Auf Seite 9 hat er einen Teil der Passage falsch übersetzt, in der geschildert wird, wie Kār Ṭalab Ḫān als Finanzverantwortlicher (dīwān) für Bengalen dem Mogulherrscher Geld und Geschenke aus dieser Provinz überreichte, die Steuerabrechnungen (kāġaẕāt) dem Dīwān für das gesamte Reich (dīwān-i kull) übergab und anschließend vom Mogulherrscher mit dem Ehrentitel Murshid Qulī Ḫān und der Statthalterschaft über Bengalen ausgezeichnet wurde (51 im persischen Text). Aus der Übergabe der Papiere an den Dīwān-i Kull ist in der Übersetzung die Beförderung Kār Ṭalab Ḫāns zum "vollen Dīwān" geworden ("he received the full Diwani").
Abdus Sobhan hat die Textausgabe von Harinath De zur Grundlage für seine eigene Edition gemacht. Ein Vergleich der beiden Ausgaben bestätigt, dass es sich bei Sobhans Edition um eine Neuauflage der Ausgabe von 1908 in einer Nasta'līq-Version mit kleineren Abweichungen in der Orthographie handelt. Der Text selbst ist graphisch sehr ansprechend und gut leserlich gestaltet, enthält aber einige Druckfehler. Der Edition von Harinath De ist deshalb der Vorzug zu geben, da diese sorgfältiger als diejenige Abdus Sobhans gesetzt ist.
Auf den edierten Text folgt ein Nachwort von Sharif uddin Ahmed, General Editor des vorliegenden Buches. Es soll helfen, dieses Geschichtswerk in seinen historischen Kontext einzuordnen. Sharif uddin Ahmed schildert darin prägnant und informativ die Geschichte Dhakas und seiner Herrscher seit der Mogulzeit bis ins Jahr 1843. Einzig die Literaturverweise hätten etwas ausführlicher ausfallen können. Insbesondere ein wichtiger Artikel von S. C. Banerjee zu den Nawwābs von Dhaka unter der East India Company wäre in der Bibliographie noch aufzuführen. [5]
Auch wenn bei der Erstellung der vorliegenden Ausgabe und Übersetzung des Tārīḫ-i Nuṣratǧangī etwas größere Sorgfalt nicht geschadet hätte, so ist insbesondere die Übersetzung doch wichtig, da sie dieses Werk erstmalig einem breiteren Publikum zugänglich macht.
Das Werk selbst verdient mehr Beachtung als bisher: Der von Nawwāb Nuṣrat Ǧang verfasste erste Teil gibt Einblick in das Geschichtsverständnis und die Weltsicht eines hohen muslimischen Würdenträgers unter britischer Herrschaft und bietet eine alternative Sicht auf die jüngere Geschichte Bengalens im Vergleich zu anderen, besser bekannten indo-persischen Geschichtswerken dieser Zeit. So verzichtete Nuṣrat Ǧang auf die sonst übliche Idealisierung 'Alī Wardī Ḫāns (reg. 1740-1756), des letzten großen Herrschers Bengalens, und legitimierte stattdessen den Status quo.
Der von Ḥamīd Mīr verfasste zweite Teil wirft ein Licht auf die Verhältnisse eines bedeutungslos gewordenen muslimischen Hofes und bietet Einsicht darin, wie ein Höfling den Bedeutungsverlust der alten muslimischen Eliten historiographisch deutete. Das Buch kann abgesehen davon auch als unterhaltsame Lektüre mit vielen Anekdoten empfohlen werden.
Anmerkungen:
[1] Tarīkh-i-Nuṣratjangi, hrsg. von Harinath De, in: Memoirs of the Asiatic Society of Bengal 2 (1907-1910), 121-153.
[2] Muhammad Muhibullah Siddiqi: Naba Mullayane Tarikh-i-Nusratjangi, in: Abdul Karim Sambardhana Grantha, hrsg. von Shamsul Husain, Chittagong 2003, 230-240; Abdul Karim: Tarikh-i-Nusrat Jangi, in: Banglapedia. National Encyclopedia of Bangladesh, Dhaka 2003, Bd. 10, 56-57; Thomas Hayoz: Historiographie als Selbstdarstellung. Tārīḫ-i Nuṣratǧangī - ein indo-persisches Geschichtswerk um 1800, in: Asiatische Studien 59 (2005), 1039-1076.
[3] Abdul Karim: An Account of the District of Dacca, Dated 1800, in: Journal of the Asiatic Society of Pakistan 7 (1962), 289-341.
[4] Tarīkh-i-Nuṣratjangi, hrsg. von Harinath De, Preface [i].
[5] S. C. Banerjee: Naib Nazims of Dacca during the Company's Administration, in: Bengal Past and Present 59 (1940), 17-29.
Thomas Hayoz