Donald Prudlo: The Martyred Inquisitor. The Life and Cult of Peter of Verona († 1252) (= Church, Faith and Culture in the Medieval West), Aldershot: Ashgate 2008, XVIII + 300 S., ISBN 978-0-754-66256-3, GBP 65,00
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Den 1252 ermordeten Dominikaner Petrus von Verona und seine Verehrung als Heiliger behandelt die vorliegende Arbeit. Ihr Autor erhebt den Anspruch, damit den maßgeblichen Aufsatz von Antoine Dondaine aus dem Jahre 1953 [1] zu ersetzen.
Prudlo behandelt zunächst die Biographie: Petrus wurde Anfang des 13. Jahrhunderts in einer Familie geboren, die dem Katharertum nahestand (Kap. I). Sie sandte ihn von Verona aus zum Studium nach Bologna, wo Petrus auf Dominikus traf, den Gründer des Predigerordens. In diesen trat Petrus vor 1221 ein. In den 1230er Jahren begann er als Inquisitor und Prediger seine Karriere (Kap. II). Dabei ging er um 1244/5 im ghibellinischen Florenz gegen die Katharer vor und führte in bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen erfolgreich eine Schlacht an. Nach zahlreichen Reisen im Dienste des eigenen Ordens, aber auch seiner - so jedenfalls Prudlo - Einbindung in die Gründung des Servitenordens wurde Petrus 1251 Prior der Dominikaner von Como. Sein Kampf gegen Ketzerei führte zu einer Verschwörung, in deren Folge er am 6. April 1252 bei Barlassina getötet wurde.
Die Reaktionen auf die Tat, mit denen Petrus' Nachleben als Märtyrer begann, waren vielfältig (Kap. III): Neben Unruhen in Mailand kam es seitens des Papsttums zu einer Ausweitung der Ketzerinquisition durch die Urkunden des Initiums Ad exstirpanda. Alsbald wurde auch ein Kanonisationsverfahren über Petrus eingeleitet, das sehr rasch zum Erfolg führte. Kultförderung betrieben nicht nur die Dominikaner, sondern auch mehrere Päpste (von Innozenz IV. bis Clemens IV.) in ungewöhnlicher Intensität. Das Bild des neuen Heiligen (Kap. IV), das in Predigten hervortrat, umfasste mehrere Facetten, so den Schüler des Ordensgründers, den Streiter gegen Ketzer, den Träger dreier Kronen, den Märtyrer und zweiten Christus - was in dieser Verbindung zur Stilisierung als Anti-Franziskus führen konnte. In der Kultpraxis (Kap. V) erscheinen weitere Kreise von Petrus-Verehrern, insbesondere Laienbruderschaften, italienische Kommunen oder König Ludwig IX. von Frankreich und seine Nachkommen. In diesem Zusammenhang reißt Prudlo auch die Frage nach den Spezifika der Mirakel und - damit durch die zahlreichen Strafwunder verbunden - den Spuren von Opposition gegen diesen Heiligen an.
In Prudlos Darstellung sorgt der Anmerkungsapparat nicht immer für Klarheit. Man wird in der vatikanischen Bibliothek ein "Ms. Fondo domenicano" oder ein "Ms. lat." vergebens suchen, ebenso ein "Ms. cart." im Nationalarchiv Paris (175, Anm. 3). Merkwürdig ist ein Zitat der Kanonisationsurkunde aus den päpstlichen Registern (ibid. und 82, Anm. 45), da sie dort fehlt. Wenn Prudlo (81) die Hypothese aufstellt, diese Littera sei (zuerst am 24. März 1253) absichtlich mit gewissem Abstand zum Heiligsprechungsakt (9. März) registriert und ausgefertigt worden, um Petrus in Berücksichtigung franziskanischer Befindlichkeiten nicht schneller als Antonius von Padua zum Heiligen zu machen, drängen sich sachliche Einwände auf: Einerseits kam eine etwas verzögerte Urkundenausstellung im 13. Jahrhundert in nahezu allen Vergleichsfällen vor, andererseits war allein die feierliche Heiligsprechung konstitutiv, nicht aber deren schriftliche Verkündung, die sich bisweilen - so auch bei Petrus - über Jahre hinzog.
Ungenauigkeiten treten anderswo ebenso auf, etwa in Zusammenhang mit der wohl im September 1253 vollzogenen Reliquientranslatio des Petrus (89). So entging Prudlo ein 2003 publizierter Augenzeugenbericht hierüber, der auch viele biographische Details enthält; zudem steht fest, dass der bei diesem Vorgang hervortretende Philipp von Vercelli zur fraglichen Zeit nicht Prior der Grablege S. Eustorgio in Mailand, sondern Provinzial der Lombardei war. Bei anderen Aspekten bleibt die Schilderung Prudlos unvollständig. Der Theologe und erste dominikanische Kardinal Hugo von St-Cher, der als Scharnier zwischen Kurie und Predigerorden fungierte und eine zentrale Figur bei der Einführung neuer Kulte darstellte, erscheint bei Prudlo lediglich am Rande. Hugo indes, der damals als Legat im Reich weilte, warb für Petrus Martyr so erfolgreich, dass sich beständige Kultinseln (etwa in Luxemburg) bildeten. Ohnehin spielt Mitteleuropa bei Prudlo kaum eine Rolle. Gerade im Blick darauf wäre indes die Rezeption der Petrus-Legenden in den Volkssprachen zumindest eine Be- oder Anmerkung wert gewesen. Wichtiger schien es Prudlo aber, Petrus Martyr in einem Psychogramm zu fassen (65-67) oder den Lohn seiner Mörder in heutiger Währung zu beziffern (60, Anm. 96: 7150 US-Dollar).
Auf die Ausführungen zu Biographie und Kult (5-174) folgen zwei Appendices: Anhang A (175-182) als knapper Quellenüberblick konzentriert sich, wie schon die vorigen Teile, auf die nichturkundliche Überlieferung, wobei man den Verweis auf die wichtigste Aufstellung dominikanischer Autoren vermisst. [2] Der umfangreiche Appendix B (183-262) enthält englische Übersetzungen zahlreicher Quellen, ohne jedoch deren lateinische Urfassung wiederzugeben. Dieser Teil der Arbeit muß wegen gravierender Fehler mit Skepsis betrachtet werden: Dat. Ianuae (also Genua) id. Iunii am Ende einer Urkunde gibt Prudlo wieder als "Dated at the threshold of the Ides of June" (186). Erschwerend kommt hinzu, dass der dort herangezogene ältere Druck ein falsches Datum angibt, wogegen der korrekte Termin vi. idus sich in einem von Prudlo ungenutzten Standardwerk findet. [3] Sinnwidrige Übersetzungen gibt es öfter: So heißt es etwa in einem Verhörprotokoll [4] zu dem Auftrag, über eine bestimmte Summe zu disponieren, feci sicut mihi commissum erat de praedicta pecunia (190: "I made as if I had forfeited the money"), oder zu Zeugenaussagen sub debito iuramento, quod ad mandatum eorum praestiterant, sicut apparet per publicum instrumentum (189: "unter oath, because they fulfilled a mandate, that it might appear in the public instrument"). Angesichts solch fragwürdiger Stellen (dazu 34 mit Anm. 96, 67 mit Anm. 123) ist die Aussicht auf die Editionen, die Prudlo ankündigt (173, Anm. 14, 181, Anm. 31), nicht ungetrübt. Vielmehr weckt seine Lesung der Quellen zwangsläufig Zweifel am darstellenden Teil des Buches.
So kann man resümieren, dass die besprochene Studie die übrigen Untersuchungen zu Petrus, die seit Dondaine bis hin zu einer neuen Arbeit aus Italien [5] entstanden sind, durch einige Aspekte (besonders in Kap. V) ergänzt. Gleichwohl ist sie aufgrund der immanenten Probleme zu Zwecken der Forschung mit Vorsicht zu benutzen. Ihr Übersetzungsanhang sollte in der Lehre erst gar nicht herangezogen werden.
Anmerkungen:
[1] Antoine Dondaine: Saint Pierre Martyr. Études, in: Archivum Fratrum Praedicatorum 23 (1953), 66-162.
[2] Thomas Käppeli: Scriptores Ordinis Praedicatorum Medii Aevi, 4 Bde., Rom 1970-1993.
[3] Les registres d'Innocent IV, publiées ou analysées d'après les manuscrits originaux du Vatican et de la Bibliothèque Nationale par Élie Berger (Bibliothèque des écoles françaises d'Athènes et de Rome, 2e sér., I, 7), Bd. 2, fasc. 7, Paris 1885, hier 224 f. Nr. 5354.
[4] Processo per l'uccisione di S. Pietro Martire, ed. Joannes Seraphinus Villa, in: Archivio Storico Lombardo 6 (1877), 790-794.
[5] Maria Benedetti: Inquisitori Lombardi del Duecento (Temi e Testi, 66), Rom 2008.
Otfried Krafft