Axel Metz: Der Stände oberster Herr. Königtum und Landstände im süddeutschen Raum zur Zeit Maximilians I. (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe B: Forschungen; Bd. 174), Stuttgart: W. Kohlhammer 2009, XLII + 398 S., ISBN 978-3-17-020762-2, EUR 35,00
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Selten wurde das von Peter Moraw und Volker Press bereits Mitte der 1970er Jahre aufgestellte Postulat, Reichs- und Landesgeschichte zusammenzuschauen, um zu einem besseren Verständnis des politischen Gefüges des spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Reiches zu gelangen [1], konsequenter eingelöst als in der Freiburger, von Dieter Mertens betreuten Dissertation von Axel Metz. Seine Herangehensweise, die im einleitenden Teil in die landes- wie reichsgeschichtliche Forschungslandschaft eingeordnet wird, ist ambitioniert. Denn einerseits wählt er einen vergleichenden Zugriff, indem er die "Beziehungen König Maximilians I. zu den Landständen des süddeutschen Raumes, also Württembergs, Bayerns und der Lande Erzherzog Sigismunds von Tirol" (4) betrachtet, andererseits ist er mit einer komplexen Quellenlage konfrontiert gewesen, da "in der Regel keine eigenen Bestände innerhalb der Archive existieren" (17).
Folgerichtig beschränkt Metz seinen zeitlichen Fokus auf solche Phasen in den einzelnen untersuchten Ländern, in denen "bedingt durch eine hohe Zahl dynastischer Krisen [...] sich der Spielraum des Reichsoberhauptes für Einwirkungen auf die landesherrlichen Räte und die Landstände" (26) besonders groß gestaltete. Für Tirol und die habsburgischen Vorlande ist diese Situation in den Jahren zwischen der Wahl Maximilians zum Römischen König (1486) und seinem Herrschaftsantritt in diesen Landen (1490) gegeben. Für Interaktionen mit Maximilian als nunmehriges Reichsoberhaupt (seit 1493) stand das Herzogtum Bayern im Umfeld des Landshuter Erbfolgekrieges (1503/04) und erneut während des Konflikts der bayerischen Herzöge Wilhelm und Ludwig um erbfolgerechtliche Probleme 1514 besonders offen. Einzig für das 1495 zum Herzogtum erhobene Württemberg umfasst der Betrachtungszeitraum, auch und gerade weil Maximilian hier über einen längeren Zeitraum hinweg, wenn auch unterschiedlich intensiv, präsent war, die Jahre vom Regierungsantritt Herzog Eberhards II. (1496) bis zum Tod Maximilians 1519.
Dass jedoch selbst diese zeitliche Engführung nicht hinlänglich gewesen wäre, die umfänglichen Quellenmaterialien zu bewältigen, wäre dem Verfasser nicht der "Rückgriff auf das Material der Maximilian-Regesten"(17) [2] möglich gewesen, wie sie von dem jüngst verstorbenen Grazer Ordinarius für Österreichische Geschichte, Hermann Wiesflecker, und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in jahrzehntelanger Arbeit zusammengetragen worden sind, streicht Metz eigens heraus.
Metz arbeitet in seiner Untersuchung mit einem weiten Ständebegriff, der ihn davor bewahrt, sich der formativen Phase des politischen Ständewesens, in der sich Stände als politische Korporationen erst allmählich auszuformen beginnen, mit anachronistischen Maßstäben zu nähern. Er definiert: "Unter landständischen Gruppen versteht die Untersuchung all jene Personen und familiären Netzwerke, die auf offiziellen wie informellen ständischen Zusammenkünften die Meinungsbildung maßgeblich beeinflussten; sie schließt daher unter Umständen auch Personen ein, die nach Kriterien späterer Epochen als nicht zu den Landständen gehörig angesehen werden müssen." (5)
Mit diesen räumlichen, zeitlichen wie methodischen Prämissen arbeitend, gliedert sich seine Untersuchung in zwei Teile: In einem ersten Teil - "Allgemeine Darstellung" (33-246) - wird das Geschehen, das zum Austausch zwischen König/Kaiser und den Landständen der einzelnen Länder führte, vorgestellt. Systematisch-analytisch angelegt ist der zweite Teil - "Besondere Aspekte des königlichen Handelns gegenüber den Landständen" (247-347). In vier Kapiteln werden untersucht: Die Rechfertigungen, mit denen der König sein jeweiliges Eingreifen in das Geschehen der einzelnen Länder begründete, die "auch einen Gradmesser für die zu diesem Zeitpunkt erreichte Anerkennung landesherrlicher Befugnisse" (9) bieten; die zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit oszillierenden Kommunikationsformen (schriftliche Mitteilung, Gesandte, face-to-face-Kommunikation); die Formen königlicher Gunsterweise und der Personenkreis, der für Maximilian besonders "ansprechbar" war. Eine knappe Schlussbetrachtung (375-386) sowie ein Personen- und Ortsregister beschließen den Band.
Vieles von dem, was Metz dergestalt an Ergebnissen erarbeitet, bestätigt schon Bekanntes, allerdings nunmehr mit einer zuvor nicht vorhandenen quellenmäßigen Fundierung. Seine Dissertation verdeutlicht einmal mehr die herausragende Rolle des Adels und dessen personaler Verflechtungen für die, aufs engste mit dem Hof verwobene Geschichte des politischen Ständewesens im Reich. Präzise ist nach der Lektüre von Metz' Untersuchung zudem die divergierende "Königsnähe" der drei untersuchten Territorien zu greifen.
Sehr eindrücklich schlägt sie sich in Umfang und Art der königlichen Gunsterweise nieder - man betrachte vor allem die diese dokumentierenden Graphiken (323f.). Doch so vielgestaltig die Gunsterweise auch waren, die wiederum (aus königlicher Sicht) besonders "erfolgversprechend" gegenüber den bevorzugten königlichen Ansprechpartnern, dem Hochadel und höherrangigen Niederadel eingesetzt werden konnten, und so geschickt Maximilian (meist) die verschiedenen ihm zu Gebote stehenden Kommunikationsmöglichkeiten einzusetzen verstand, so ändert dies nichts an der "hochgradige(n) Situationsabhängigkeit und -bezogenheit" (379) seines Handelns. Eine Alternative zur zwischen Kooperation und Konfrontation oszillierenden Interaktion des Reichsoberhauptes mit dem fürstlichen Hochadel, wie sie sich seit der Zeit um 1500 auszubilden begann, konnte die "landständische Politik" Maximilians daher nicht sein. Dass noch sein Enkel, Kaiser Karl V., in der Mitte des 16. Jahrhunderts, dem nicht-fürstlichen Hochadel und dem Niederadel eine gewichtigere Rolle im politischen System des Reiches zuweisen wollte, zeigt jedoch die fortdauernde Offenheit der verfassungspolitischen Situation im Reich, die den Hintergrund auch der maximilianeischen Ständepolitik bildet.
Bedauerlich ist daher, dass diese, gerade für den Süden des Reiches in Gestalt des Schwäbischen Bundes besonders evidente komplexe Verwobenheit von "Kaiser und Reich" zwar nicht ignoriert, aber doch nur punktuell fruchtbar gemacht wird. So fußte, um nur ein Beispiel zu geben, die Absetzung Herzog Eberhards des Jüngeren von Württemberg (1498) zwar auch auf dem Zusammenspiel des Kaisers mit den adeligen und (nachrangig) bürgerlichen "Dienern" des Herzogs, wie von Metz dargestellt, dass sie aber den maximilianeischen Intentionen gemäß verlief, ist nicht ohne die personalen Netzwerke zu denken, die auf Maximilians Mitgliedschaft im Schwäbischen Bund basierten. [3]
Doch trotz dieser Einschränkung - wer sich mit der Reichs- und Landesgeschichte Süddeutschlands oder auch mit ständegeschichtlichen Fragen der Zeit um 1500 beschäftigt, wird dies künftig nicht tun können, ohne zur Arbeit von Axel Metz zu greifen.
Anmerkungen:
[1] Peter Moraw / Volker Press: Probleme der Sozial- und Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit (13.-18. Jahrhundert), in: Zeitschrift für Historische Forschung 2 (1975), 95-108.
[2] Regesta imperii, hrsg. von der Kommission für die Neubearbeitung der Regesta Imperii bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, XIV: Ausgewählte Regesten des Kaiserreiches unter Maximilian I. 1493-1519, (bislang) 4 Bde., Wien u.a. 1990-2004.
[3] Horst Carl: Der Schwäbische Bund 1488-1534. Landfrieden und Genossenschaft im Übergang vom Spätmittelalter zur Reformation, Leinfelden-Echterdingen 2002 (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde; 249); 269.
Gabriele Haug-Moritz