Thomas Freller: Adlige auf Tour. Die Erfindung der Bildungsreise, Ostfildern: Thorbecke 2007, 231 S., ISBN 978-3-7995-0098-2, EUR 24,90
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Auf Reisen zu gehen, stellte in Mittelalter und Früher Neuzeit ein Wagnis dar. Nicht selten gerieten Fahrten in die Fremde zu regelrechten Abenteuern. Dass dies auch für Reisen adliger Standesvertreter dieser Zeit galt, zeigt Thomas Freller, Dozent an der University of Malta und Spezialist für frühneuzeitliche Reiseliteratur sowie die Geschichte des Mittelmeerraums, in seinem Band Adlige auf Tour- Die Erfindung der Bildungsreise.
Freller möchte mit seinem Buch ausdrücklich ein breiteres Publikum ansprechen. Es geht ihm daher - was die Auswahl der beschriebenen Reisen angeht - um die Darstellung unterhaltsamer Ausnahmen von der Regel. In der Einleitung gibt er zunächst einen fundierten Kurzüberblick über die gängigsten Formen und die Entwicklung des adligen Reisens sowie der wichtigsten Reiseziele vom Spätmittelalter bis ins 19. Jahrhundert.
Die Gliederung des Hauptteils orientiert sich weitestgehend an dieser Vorgabe, wobei in vier Kapiteln verschiedene Reisen vom 16. Jahrhundert bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts vorgestellt werden. So werden etwa im ersten Kapitel des Hauptteils unter der Überschrift "Bildung und Frömmigkeit - Humanismus und Gegenreformation" die Reisen sechs adliger Personen vorgestellt, die zum Teil recht deutlich den Übergang von der mittelalterlichen Traditionen folgenden Pilgerreise zur frühneuzeitlichen Kavalierstour darstellen. Dass Freller dabei vor allem das Ungewöhnliche und Abenteuerliche der Reisen sucht, zeigt exemplarisch die Tour des fränkischen Ritters Hans Ludwig von Lichtenstein (geboren ca. 1560). Lichtenstein begab sich im Mai 1586 gemeinsam mit Wolf Christoph von Rotenhan (1564-1605) und Christoph von Waldenfels (ca. 1560-1633) zunächst nach Italien. Nach seinen Studien an der Universität Padua und den Unterweisungen in typisch adligen Disziplinen wie Reiten, Tanzen und Fechten führte ihn ein zufälliges Zusammentreffen mit dem böhmischen Johanniterkomtur Matthias Poppel von Lobkowitz nach Sizilien und Malta. Und auch im weiteren Verlauf waren es immer wieder zufällige Ereignisse, wie etwa eine Verhaftung durch spanische Soldaten wegen unerlaubten Waffentragens oder ein abgewehrter Angriff durch Korsaren, die auf der Weiterreise ins Heilige Land und schließlich nach Ägypten dramatische Akzente setzten. Passend hierzu verzögerte sich auch die Heimreise durch eine mehrere Monate andauernde türkische Gefangenschaft.
Die Beschreibungen der Reisen in den folgenden Kapiteln konzentrieren sich ebenfalls auf diese eher ungewöhnlichen Aspekte adligen Reisens, die in rein wissenschaftlichen Darstellungen oftmals keinen Platz finden können. Dennoch vergisst der Autor in allen weiteren Kapiteln darüber nicht die historische Kontextualisierung, sowohl was die Reiseform als auch die jeweils beschriebene Reise selbst angeht. So werden neben der Spezialform der Fürstenreise (hier wird als Beispiel etwa die Reise des jungen Albrecht, des späteren Kaisers Karl VII., in den Jahren 1715 bis 1716 nach Rom angeführt) die verschiedenen Reisestufen von der klassischen Kavalierstour des 17. Jahrhunderts über die aufgeklärte Bildungsreise des 18. Jahrhunderts bis hin zur mehr im modernen Sinne touristisch orientierten Reise des 19. Jahrhunderts jeweils in einem Kapitel an verschiedenen Beispielen vorgestellt.
Mit den Italienreisen der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth (1709-1758) und der Gräfin Elisa von der Recke (1754-1833) werden auch Reisen adliger Frauen besprochen. Positiv fällt außerdem Frellers - trotz populärwissenschaftlicher Ausrichtung - kritischer Umgang mit den Quellen auf. Der Autor bezieht sich nicht nur auf gedruckte Reiseberichte, sondern gleicht diese auch mit Quellen aus verschiedenen Familien-, Staats- und Stadtarchiven ab. Der Autor kann so oftmals Irrtümer in der Literatur zur jeweiligen Reise aufzeigen und richtig stellen. Es sind gerade diese Bemerkungen, die das Buch auch für den wissenschaftlich orientierten Leser zu einer gewinnbringenden Lektüre werden lassen. Die Kurzbibliographie zu den einzelnen Kapiteln im hinteren Teil des Buchs bietet zudem einen guten Überblick über die wichtigsten Quellen und Titel der verwendeten Forschungsliteratur.
Mitunter wirken einige Bemerkungen Frellers allerdings etwas irritierend, so seine überflüssige Formulierung, die Adelsgesellschaft des 17. und 18. Jahrhunderts sei - was die Bildung anbelangt - einem vereinten Europa sehr viel näher gewesen, als die "dürftigen Erfolge der Brüsseler Technokraten für unsere Zeit versprechen" (9). Solche Ausflüge des Autors, die den Blick unvermittelt von den Reisen abschweifen lassen, kommen glücklicherweise jedoch nur sehr vereinzelt vor.
Sowohl Nichtspezialisten als auch Wissenschaftlern kann Frellers Buch empfohlen werden -es ist ansprechend und kurzweilig. Für Studenten ist der Band als erste Einführung zur Geschichte adligen Reisens mit Anregungen zum Quellenstudium und zur vertiefenden Lektüre besonders geeignet.
Martin Otto Braun