Albrecht Ernst / Anton Schindling (Hgg.): Union und Liga 1608/09. Konfessionelle Bündnisse im Reich - Weichenstellung zum Religionskrieg? (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe B: Forschungen; Bd. 178), Stuttgart: W. Kohlhammer 2010, VIII + 385 S., ISBN 978-3-17-020983-1, EUR 32,00
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Der vorzustellende Sammelband ging aus einer aus Anlass des vierhundertsten Jubiläums der Gründung der Union im Mai 2008 in Heidelberg abgehaltenen Tagung hervor, die um weitere Beiträge ergänzt wurde. [1] Veranstaltet wurde die Tagung von der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, dem Württembergische Geschichts- und Altertumsverein sowie der Arbeitsgemeinschaft für geschichtliche Landeskunde am Oberrhein. Die dreizehn im Band dokumentierten, mit zahlreichen Abbildungen versehenen Beiträge gehen der Frage nach, ob und inwieweit die Gründung konfessioneller Bündnisse als krisentreibendes Moment in einer Phase der Reichsgeschichte zu betrachten ist, die zutreffend als "Zeit der Unsicherheit" [2] charakterisiert wurde. Der Band schließt damit an einen älteren, nach wie vor jedoch nicht abschließend behandelten Diskussionsstrang zur Geschichte des Reichs um 1600 an [3] und führt diesen fort.
Wohl dem Anlass der Tagung (und vielleicht auch dem Genius loci) geschuldet überwiegen Abhandlungen zur Geschichte der protestantischen Union. Nach einem allgemeiner gehaltenen, gewohnt pointierten Überblick Georg Schmidts, der auf die reichspolitisch integrierenden Wirkungen des konfessionellen Föderalismus abstellt, wird den zentralen Akteuren des Bündnisses, allen voran natürlich dem Kurfürsten von der Pfalz (Armin Schlechter; Tobias Sarx; Anton Schindling), intensivere Aufmerksamkeit geschenkt. Dass der Band den lange Zeit vorherrschenden, die Unionsgeschichte verzerrenden kurpfälzischen Blick auf die Union transzendiert und (vor allem) die Markgrafschaft Baden und das Herzogtum Württemberg gleich in mehreren Beiträgen (Axel Gotthard; Lars Adler; Laure Ognois; Anneliese Seeliger-Zeiss) würdigt, verdient besonders hervorgehoben zu werden. Zugleich ist es gerade diese Erweiterung des Blickwinkels, die die Beiträge zur Union mit denen zur Liga verbindet. Nicht die viel erörterte Ligapolitik Bayerns [4], sondern diejenige der geistlichen Reichsstände - geistliche Reichsstände Schwabens (Thomas Hölz), Kurmainz (Franz Brendle) und Würzburg (Johannes Merz) - wird ausführlich vorgestellt. Im ersten und letzten Beitrag wird gleichsam der Bogen zwischen dem katholischen und protestantischen Konfessionsbündnis gespannt. In einer einleitenden Miszelle zur dynastischen Memoria des Hauses Wittelsbach geht Anton Schindling beispielhaft der geschichtspolitischen Vereinnahmung des Geschehens im 19. Jahrhundert durch das katholische, von der Kurpfälzer Linie abstammende bayerische Königshaus nach. Und abschließend liefert Albrecht Ernst sowohl eine Edition der im Hauptstaatsarchiv Stuttgart verwahrten "Erstfassung des Unionsrezesses" (347) als auch der Gründungsurkunde der Liga, deren Vorlage die im Bayerischen Hauptstaatsarchiv verwahrte Ausfertigung ist. Ein Orts- und ein Personenregister beschließen den Sammelband.
Der Band zeichnet sich durch eine gelungene Mischung von Beiträgen aus, die einerseits die Essenz dessen präsentieren, was aus langjähriger wissenschaftlicher Beschäftigung mit der Thematik (auch) in umfänglichen Monographien präsentiert wurde (Georg Schmidt, Axel Gotthard, Thomas Hölz, Anton Schindling) bzw. finden wird (Franz Brendle); andererseits wird Neuland betreten, indem danach gefragt wird, wie die Unionsmitgliedschaft Badens und Württembergs ihren visuellen wie performativen Niederschlag gefunden hat. Annemarie Seeliger-Zeiss rückt die Funeralkultur der Unionsmitglieder und Laure Ognois das Tauffest Friedrichs von Württemberg im Jahr 1616 in den Blick. Die hervorragende Ausstattung mit Bildern erlaubt es gerade bei diesen beiden Beiträgen, den Argumentationsgang präzise nachzuvollziehen. Und auch der Aufsatz von Lars Adler, der den 1584 gegründeten, im August 1608 mit neuen Ordensstatuten versehenen badischen Orden der goldenen Klippe als "bislang weitgehend unbekannt(en)" Aspekt (198) der badischen Bündnispolitik thematisiert, profitiert von den beigegebenen Abbildungen.
Alles in allem wird man dem Band attestieren dürfen, dass es gerade die eingenommene Perspektiven- und Methodenvielfalt ist, die eindrücklich verdeutlicht, dass alle allzu einsinnigen Antworten, die auf die dem Band zugrunde liegende Ausgangsfrage gegeben werden (Stichwort: Konfessionsfundamentalismus [6]), in die Irre führen. Und selbst wenn einem nach der Lektüre der Beiträge von Axel Gotthard und Anton Schindling die Deutung Georg Schmidts, dass die beiden Bündnisse "dem Reichs-Staat neue kreative Verfahren implementiert" (24) hätten, doch als allzu einseitig, da die zeitgenössischen Wahrnehmungen ausblendend erscheint, wird man der Zusammenfassung der Beiträge durch die Herausgeber uneingeschränkt zustimmen können: "Eine Unausweichlichkeit des erbitterten Waffengangs wird [...] nicht sichtbar." (3) Dass der Sammelband es ermöglicht, diese Erkenntnis fundiert nachzuvollziehen, und dass er zudem neue, gerade und vor allem für die Geschichte der Union wichtige Text- und Bildquellen beinhaltet, machen ihn zu einer Publikation, die in keiner (wissenschaftlichen) Bibliothek fehlen sollte.
Anmerkungen:
[1] Vgl. auch Wolfgang Layh (Hg.): 400 Jahre protestantische Union von Auhausen 1608 - 2008, Auhausen 2008.
[2] Volker Press: Kriege und Krisen, München 1991, 184.
[3] Winfried Schulze (Hg.): Friedliche Intentionen - kriegerische Effekte. War der Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges unvermeidlich?, St. Katharinen 2002.
[4] Vgl. etwa Andreas Edel: Auf dem Weg in den Krieg. Zur Vorgeschichte der Intervention Herzog Maximilians I. von Bayern in Österreich und Böhmen 1620, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 65 (2002), 157-251.
[5] Heinz Schilling (Hg.): Konfessioneller Fundamentalismus. Religion als politischer Faktor im europäischen Mächtesystem um 1600, München 2007.
Gabriele Haug-Moritz