Maria Höhn / Martin Klimke: A Breath of Freedom. The Civil Rights Struggle, African American GIs, and Germany, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2010, XXVII + 254 S., ISBN 978-0-230-10473-0, GBP 15,99
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Das titelgebende Zitat stammt von Colin Powell, 1958 Second Lieutenant in Gelnhausen, später Außenminister der USA: "For black GIs, especially those of the South, Germany was a breath of freedom" (1); das Buch schließt in einer Art Hommage auch mit einem Powell-Zitat über den Wandel seiner eigenen Diskriminierung in den USA von 1963 auf 1964. Dem schmalen Band voraus gestellt sind 16 (sic) "advance praises" zumeist von Historikern und ein Vorwort von Ron A. Armstead, Executive Director des Congressional Black Caucus Veterans Braintrust. Die Danksagung der Autoren benennt eher 200 als 100 Personen: Wie kann man mit einer solchen geballten Ladung noch kritisch umgehen, zumal die Autoren ihrerseits politisch korrekt noch eins drauf setzen und betonen, es sei immer wieder erforderlich, den Konflikt zwischen schwarzer Identität und rassischer Diskriminierung auch bis heute in Deutschland aufzudecken?
Glücklicherweise ist dennoch eine genuin wissenschaftliche und innovative Arbeit anzuzeigen, die auch ohne dieses imposante Flügelschlagen ausgekommen wäre. Im weitesten Kreis geht es darum, die Internationalisierung der Bürgerrechtsdiskussion der USA an einem markanten Beispiel zu schildern (68), das auch methodisch weiter führt. In der noch weithin segregierten US-Army des Zweiten Weltkriegs (wie zuvor des Ersten) hatten Schwarze zumeist technische oder Arbeitsrollen, waren unterrepräsentiert in allen Beförderungsrängen etc. Unter den US-Besatzungssoldaten in Deutschland nach 1945 gab es immer eine starke Minderheit an schwarzen Soldaten. Nach Höhn und Klimke erfuhren sie in Westdeutschland gegenüber der diskriminierenden amerikanischen "Jim Crow"-Gesetzgebung, die von Präsident Truman immerhin aus dem Dualismus Schwarz-Weiß befreit wurde, eine ganz andere, offenere Gesellschaft.
Die Grundidee ist, dass genau diese deutsche Umgebung wesentliche Anschauung für eine relative Gleichberechtigung aller Menschen bereitstellte. Hinzu kam das immer wiederholte Argument, wenn man die Deutschen zur Achtung von Menschenwürde und zur Aufgabe von Rassismus erziehen wolle, dann könne man das in den USA nicht weiter praktizieren. Ferner: Gerade wenn es ab 1950 zeitweise eine integrierte europäische Armee geben sollte, konnten die Amerikaner nicht mit einer Zweiklassenarmee aufwarten. Dieser Widerspruch habe gleichsam über Bande in die USA zurück gewirkt. Die alltägliche Erfahrung in und um die Garnisonen der amerikanischen Besatzungszone wird in dem Buch breit entfaltet, der behauptete Rückkopplungseffekt geht aber nach den Eingangskapiteln in der Narratio weitgehend verloren. Immerhin sei die US-Armee im westlichen Deutschland in den fünfziger Jahren weitgehend integriert gewesen, nicht zuletzt auch in die bundesdeutsche Gesellschaft.
Dieser Strang wird jedoch verlassen, indem minutiös und kenntnisreich Martin Luther Kings Besuch in West- wie Ostberlin 1964 vorgeführt wird. Von Willy Brandt und der evangelischen Kirche eingeladen, absolvierte er Gottesdienste und Auftritte auch im Osten der Stadt. Er selbst argumentierte eher im Kalten-Krieg-Sinne von seinem Kampf in den USA um Freiheit und eben auch dem der Berliner Bevölkerung. Dieser Grundakkord änderte sich mit der Studentenbewegung, die gerade in Westdeutschland viel von den USA übernahm, neben Vietnam vor allem den Rassenkampf dortselbst. Insbesondere am Beispiel Rudi Dutschkes und des SDS-Vorsitzenden KD Wolff wird dieser Strang deutlich gemacht, der bei radikalen Studenten in Frankfurt und anderswo zu Solidarität mit schwarzen Soldaten und vielfältigen Kooperationen, ja zum Versuch von deren Revolutionierung fand. "Heroes of the other America" wurden in beiden deutschen Staaten u.a. Angela Davis, in der DDR auch Paul Robeson und andere Schwarze. Wenn in diesem Buch der von der DDR-Staatsspitze von Ulbricht bis Honecker geförderte antiimperialistische Kampf eher negativ benannt wird, so sollte hinzugefügt werden, dass dieser dennoch in weiten Teilen der Gesellschaft begeisternd und integrierend wirken konnte. Dagegen wird der antigouvernementale Akzent der Studentenbewegung, der bis in höchste Regierungskreise der USA und der Bundesrepublik Sorgen erzeugte, überzeugend herausgearbeitet. Er ging einher mit einer Krise der in Europa stationierten 7. Armee, die durch Vietnam in Vielem vernachlässigt, ja - im militärischen Sinne - ausgeblutet war.
Höhn und Klimke wundern sich selbst ein wenig über die freundliche Wahrnehmung der Westdeutschen durch schwarze GIs , waren die Deutschen doch gerade durch das von tödlichem Rassismus bestimmte NS-Deutschland hindurch gegangen. Dies vereinfacht mit der Einschüchterung durch die Besatzungsmacht zu deuten, überzeugt auch sie nicht ganz. Ebenso schwierig zu erklären, ist der Befund von Diskriminierung der Schwarzen durch große Teile der westdeutschen Bevölkerung um 1970. Gemeint sind vor allem Vermieter und die Frage der Geschlechterbeziehungen. Was hatte sich geändert? Die Verfasser erwägen die Hypothese eines Überspringens des US-Rassismus auf Westdeutschland, halten jedoch eher die Abneigung gegen linken Aktionismus bei "Normalbürgern" für wahrscheinlich, wollen sich letztlich aber bei dieser wichtigen Frage selbst nicht so recht entscheiden ("Be that as it may," 167). Gerade hier hätte man gern mehr oder eine präzisere Entfaltung von Thesen erfahren.
Von Autoren, die wie Höhn über Geschlechterbeziehungen der US-Army und wie Klimke über soziale Bewegungen gearbeitet haben, mehr als einen Bezug allein auf Deutschland zu erwarten, wäre vermessen. Aber ihre methodisch innovative und kenntnisreiche Studie, die durch 50 anschauliche Schwarz-Weiß-Abbildungen ergänzt wird, hätte doch durch eine stärkere Einbeziehung der internationale Perspektive und vor allem dem Blick auf die Dekolonisierung und die damit verbundenen Menschenrechtsfragen an Tiefen- wie Trennschärfe gewonnen. Dafür zerläuft das schmale Bändchen durch die Schilderung von DDR-Rezeption und King-Besuch zwischendurch ein wenig zu allgemeinen Themen: deutsche Begegnung mit Afroamericans und damit zu deren Bildern. Die analytische Frage nach den Rückwirkungen der Erfahrungen Schwarzer auf die Emanzipation in den USA hätte man sich da doch vertieft gewünscht, zumal nach der breiten Entfaltung der Soldatenerfahrungen für die vierziger und fünfziger Jahre eher bis Ende der sechziger Jahre eine Lücke entsteht. Darüber hinaus ist die Geschichte der US-Truppen in Europa und in der Bundesrepublik als eine transnationale Begegnung noch nicht geschrieben. Dies hier ist jedoch ein wichtiger Ausschnitt.
Jost Dülffer