King Abdullah II of Jordan: Our Last Best Chance. The Pursuit of Peace in a Time of Peril, London: Viking 2011, 2011 S., ISBN 978-0-670-02171-0, USD 27,95
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Jonathan A. C. Brown: Hadith. Muhammad's Legacy in the Medieval and Modern World, Oxford: Oneworld Publications 2009
Nikolas Pissis: Russland in den politischen Vorstellungen der griechischen Kulturwelt 1645-1725, Göttingen: V&R unipress 2020
Rizwi Faizer (ed.): The Life of Muhammad. Al-Waqidis Kitab al-Maghazi, London / New York: Routledge 2011
Elisabeth Özdalga (ed.): Late Ottoman Society. The Intellectual Legacy, London / New York: Routledge 2005
Mara Albrecht: Krieg der Symbole. Politische Parteien und Parteikultur im Libanon (1975-2015), Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2017
Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern ist so alt wie der Staat Israel selbst, der 1948 gegründet wurde. Seither kam es in der Region zu zahlreichen Kriegen mit Opfern auf beiden Seiten. Israel fühlt sich ständig von seinen Nachbarn bedroht und setzt auf militärische Stärke, während die Palästinenser sich scheinbar vergebens nach der Gründung ihres unabhängigen Staates sehnen. Einige militante Gruppen unter den Palästinensern versuchen mit Gewalt die Aufhebung der israelischen Besatzung zu erzwingen, welche das israelische Militär mit anscheinend kollektiven Vergeltungsaktionen beantwortet unter denen vor allem die Zivilbevölkerung zu leiden hat. An Provokateuren hat es in diesem Konflikt leider nie gemangelt.
Es gab aber auch einige Lichtblicke, die einen Ausweg aus dieser Spirale der Gewalt aufzuzeigen schienen, wie die Friedenskonferenz in Madrid 1991. Nach zähen Verhandlungen unterzeichneten der israelische Premierminister Jitzhak Rabin und der PLO-Chef Jassir Arafat 1993 im Beisein des US-Präsidenten Bill Clinton eine Grundsatzerklärung, die den Weg zum Frieden ebnen sollte. Seither gab es aber zahlreiche Rückschläge, die eine dauerhafte Lösung utopisch wirken lassen.
Einer, der die Hoffnung auf Frieden aber nie aufzugeben scheint, ist der Autor dieses Buches, König Abdullah II. von Jordanien. Bei seinem Buch handelt es sich um eine Autobiographie, die sich in einen größeren historischen Rahmen einfügt, und das Engagement des Königs und seine Argumente für einen Frieden hervorhebt. Seit Juli dieses Jahres ist auch die deutsche Übersetzung unter dem Titel "Die letzte Chance. Mein Kampf für den Frieden im Nahen Osten" erhältlich. Nach den Angaben des Autors war der Anlass dieses Buch zu schreiben, das Gefühl, dass vielen Europäern und Amerikanern gar nicht bewusst sei, wie Wut und Frustration über die momentane Situation allmählich jede Hoffnung auf Frieden zerstöre. So glaubt König Abdullah II.: "[...] we still have one last chance to achieve peace. But the window is rapidly closing."(XI) Da die Menschen in dieser Region täglich mit diesem Konflikt leben, hofft er, sein Anliegen am besten vermitteln zu können, wenn er seine eigene Geschichte erzählt.
Der Autor holt weit aus und beschreibt die enge Verbindung der jordanischen Monarchie mit diesem Konflikt. Er gehört zur Familie der Haschemiten, die sich rühmt direkt von Mohammad, dem Propheten des Islam, abzustammen. Sie kamen im Ersten Weltkrieg nach Jordanien, um mit britischer Unterstützung eine Revolte gegen das Osmanische Reich anzuführen. Damals wurde dem Herrscher über Mekka, Scharif Hussein ibn Ali, ein arabisches Reich in Aussicht gestellt, das den gesamten Nahen Osten und die arabische Halbinsel einschließen sollte. Die Söhne des Scharifen eroberten daraufhin Gebiete bis nach Syrien. Das arabische Reich sollte jedoch nie entstehen, denn die Großmächte Frankreich und Großbritannien teilten die Gebiete als Mandate untereinander auf. Gleichzeitig wurde auch der zionistischen Bewegung die Errichtung einer "Jüdischen Heimstätte" in Palästina versprochen. Das Mandatsgebiet Transjordanien, vertrauten die Briten dem ältesten Sohn des Scharifen, Abdullah an. 1946 wurde das "Haschemitischen Königreich Jordanien" in die Unabhängigkeit entlassen.
Westlich des Jordans kam es jedoch zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen militanten jüdischen Gruppen, der britischen Mandatsmacht und der arabischen Bevölkerung. Als die Briten beschlossen das Mandat 1948 abzugeben, sollte ein UN-Teilungsplan mit einer Zwei-Staaten-Lösung den Konflikt beilegen. Die arabischen Staaten lehnten den Plan geschlossen ab, während militante jüdische Gruppen bereits begonnen hatten, die arabische Bevölkerung aus ihrem zukünftigen Staatsgebiet zu vertreiben. Als das Mandat am 14. Mai 1948 endete, rief Ben Gurion den Staat Israel aus und noch am selben Tag kam es zum Krieg mit den arabischen Nachbarn.
In diesem Krieg besetzte die jordanische Armee das Westjordanland mit Jerusalem und annektierte dieses Gebiet 1950. Ein Jahr später wurde König Abdallah I. am Eingang des Al-Aksa Moschee in Jerusalem von einem palästinensischen Attentäter erschossen. Der Autor gibt auf den ersten zehn Seiten diese historische Einführung, in der er seinen Urgroßvater als selbstlosen Verteidiger der Palästinenser darstellt. Historiker betrachten dessen Palästina-Politik aber weitaus kritischer. Kritik an der haschemitischen Monarchie sollte der Leser in diesem Buch aber auch nicht erwarten. Der Großvater, Talal Ibn Abdallah, wird nur kurz erwähnt, er litt an Schizophrenie und hatte nur eine sehr kurze Amtszeit.
Mit nur 18 Jahren bestieg sein Vater, Hussein Ibn Talal, den Thron. Er sollte 46 Jahre dieses Amt bekleiden. Mit dem Sechs-Tage-Krieg 1967, in welchem Israel das Westjordanland besetzte, beginnt auch der biographische Teil mit kurzen Anekdoten aus der Kindheit des Monarchen. Damals flohen rund 300.000 Menschen über den Jordan und mit ihnen ließen sich auch palästinensische Guerillas im Königreich nieder, die von dort aus ihren Widerstand gegen Israel organisierten. Bald kam es zu starken Spannungen mit dem jordanischen Militär. Auf König Hussein wurden zahlreiche Attentate verübt und Abdallah II. erinnert sich, wie seine Mutter immer eine Kalaschnikow und einen Revolver mit sich führte, wenn sie mit dem Auto durch Amman fuhr. Aus Sorge Abdallah könnte das Ziel von Anschlägen werden, schickten ihn seine Eltern in England zur Schule. 1970 eskalierte die Gewalt in Jordanien in einen regelrechten Krieg, in welchem die jordanischen Armee die Guerillas aus dem Land trieb.
Als in den folgenden Jahren palästinensische Terroristen des sogenannten "Schwarzen Septembers" Anschläge auf jordanische Politiker verübten und auch in England aktiv wurden, wechselte Abdallah und sein kleiner Bruder Faisal auf ein Internat in die USA. Die Jahre in Deerfield im Bundesstaat Massachusetts, wo er auch zur High School ging, beschreibt der Autor als die glücklichsten seines Lebens. Rund zwanzig Jahre nach seinem Abschluss initiierte er nach dem Vorbild der "Deerfield Acadmy" den Bau der sogenannten "King's Acadamy" in Jordanien, welche im Jahre 2007 eröffnet wurde. Der Erlös dieses Buches soll in einen Stipendienfond fließen, um Kindern aus armen Verhältnissen den Besuch an der King's Acadamy zu ermöglichen.
Nach seiner Schulausbildung schlug Abdallah eine militärische Laufbahn an der britischen Militärakademie in Sandhurst ein und diente auch ein Jahr in der britischen Armee. Dem Autor scheint viel daran gelegen, dem Leser zu vermitteln, dass er ein richtiger Soldat war und wegen seiner royalen Herkunft keine Sonderbehandlungen genoss. "I did not want to roll up in a Mercedes from time to time and inspect the troops as an honorary colonel of a regiment. I wanted, as much as I could, to be just another army officer, to lead and fight with my men." (49) Bis zu seinem Amtsantritt leitete er eine Spezialeinheit der jordanischen Armee.
Mit seiner schulischen und militärischen Ausbildung nehmen die autobiographischen Abschnitte zu, wobei die Ereignisse im Nahen Osten aber weiter verfolgt werden. Besonders ausführlich fallen diese historischen Einschübe aus, wenn sein Vater in die Ereignisse involviert war. Damit ist dieses Buch auch eine kleine Biographie König Husseins aus der Sicht seines Sohnes. Abdallah II. beschreibt seinen Vater als ewigen Kämpfer für den Frieden, ohne ein Wort der Kritik. Besonders vehement richtet er sich gegen die Behauptung, sein Vater hätte im Golfkrieg 1990/91 an der Seite Saddam Husseins gestanden. Unbestritten ist, dass König Hussein den Krieg zu verhindern versuchte und die Besatzung Kuwaits im arabischen Kontext lösen wollte. Historiker konnten aber nachweisen, dass sich König Hussein gegenüber seinem eigenen Volk sehr emotional für Saddam Hussein einsetzte und in einer Fernsehansprache nannte er den Krieg gegen den Irak gar einen Krieg gegen die arabische und muslimische Welt. Diese Haltung isolierte Jordanien international, erst durch den Friedensvertrag mit Israel 1994 verbesserte sich die Beziehungen zum Westen wieder. Am 7. Februar 1999 starb König Hussein an Krebs. In der Nachfolge bestieg Abdullah den haschemitischen Thron.
Hier verändert sich der Charakter dieser Autobiographie, denn nun rückt das Engagement König Abdallahs II. für Reformen in Jordanien und für den Frieden in den Vordergrund. Er will sein Land wirtschaftlich voran bringen, Armut bekämpfen und sucht den religiösen Dialog. Zu diesem Bild trägt auch ganz entscheidend seine Frau, Königin Rania, bei. Sie wird als eine moderne Frau beschrieben, die sich leidenschaftlich für die Rechte der Frauen stark macht und eine liebevolle Ehefrau und Mutter ist.
Die erste große Herausforderung in König Abdallahs II. Regentschaft war der Irakkrieg 2003. Der Autor beschreibt sein diplomatisches Bemühen diesen Krieg zu verhindern, nicht wegen Saddam Hussein, sondern um Leid von der Zivilbevölkerung abzuwenden. Die enormen wirtschaftlichen Verluste die Jordanien durch einen Regimewechsel zu erwarten hatte, da der Irak die jordanische Ölversorgung sicherstellte und dies zu Preisen, die weit unter denen am Weltmarkt üblichen lagen, mag sicher auch eine Rolle gespielt haben. Dies wird in diesem Buch aber nicht hervorgehoben. Da ein Sieg der US-geführten Allianz abzusehen war, nahm König Abdallah II. eine den USA wohlwollende neutrale Position ein, die eine internationale Isolation wie im Jahr 1990/91 verhindern sollte. In welchem Umfang Jordanien die USA bei der Invasion unterstützt hat, lässt sich heute noch nicht belegen, die Entwicklungshilfe aus den USA für Jordanien war im Jahr 2003 aber so hoch wie nie zuvor.
Das zentrale Thema ist aber der Nahost-Konflikt. Für den Autor würde die ganze Region von einem Frieden profitieren und Terroristen könnten diesen Konflikt nicht mehr propagandistische missbrauchen, um Anhänger zu rekrutieren. Nicht zuletzt wäre für Israel Frieden mit den Palästinensern der beste Garant für dessen Sicherheit. Eine friedliche Lösung blockiert nach seiner Ansicht vor allem Israel, da dessen Politiker nicht bereit seien, den Siedlungsbau im Westjordanland zu stoppen. Einen neuen Lösungsansatz stellt er allerdings nicht vor. Auch er schlägt eine Zwei-Staaten-Lösung vor, in den Grenzen von 1967 und Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines palästinensischen Staates. Die Argumente und Fakten die König Abdallah II. vorbringt sind nicht neu, interessant sind aber die persönlichen Gesprächen mit den verschiedenen Staatsführern, wie Ariel Scharon, Ehud Barak, George W. Bush oder Mahmud Abbas. Diese Unterredungen geben eine gewisse Vorstellung davon, wie schwer der persönliche Faktor in der Nahost-Politik wiegt.
König Abdallahs II. präsentiert sich in seiner Autobiographie als unermüdlicher Kämpfer für den Frieden, so dass der unbedarfte Leser zu dem Schluss kommen könnte, dass er die Lösung aller Problem im Nahen Osten parat hat, wenn doch nur alle auf ihn hören würden. Letztendlich hat Jordanien aber nicht das politische Gewicht, um wirklich Einfluss auf die Konfliktparteien nehmen zu können. So stark der Appell für den Frieden auch hervorsticht, ist dieses Buch auch eine Präsentation seiner Herrschaft. Denn das Bild König Abdallahs II., als moderater, aufgeklärter Monarch, der zwischen Christen und Muslimen eine Brücke schlägt und sich für Frieden in der Region einsetzt, ist genau jenes Bild, das im Westen gut ankommt. Dass Jordanien von einem demokratischen Rechtsstaat weit entfernt ist und es König Abdallah II. selbst ist, der über der Verfassung stehend, als "wahrer" Monarch das Land regiert, fällt beim Lesen dieser Autobiographie gar nicht auf.
Jonas Teichgreeber