Markus A. Denzel: Der Nürnberger Banco Publico, seine Kaufleute und ihr Zahlungsverkehr (1621-1827) (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beihefte; Bd. 217), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2012, 341 S., ISBN 978-3-515-10135-6, EUR 57,00
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Markus Denzel präsentiert in seiner Studie den 1621 gegründeten Nürnberger Banco Publico, ein städtisches Bankinstitut, das vorwiegend zu dem Zweck eingerichtet wurde, um Händler und Kaufleute gegen die Inflation der Kipper- und Wipperzeit abzusichern. Er beschreibt den Banco als oftmals zitiertes Symbol des ökonomischen Niedergangs der Reichsstadt Nürnberg nach dem Dreißigjährigen Krieg, dennoch stellt er ihn in eine Reihe mit den europäischen Bankenplätzen des 17. und 18. Jahrhunderts, mit Amsterdam, Venedig und Hamburg.
Gleichzeitig räumt er ein, dass er weit hinter den anderen dreien zurückstand und bis in das 18. Jahrhundert hinein von internationaler zu regionaler Relevanz absank. Trotz aller Widrigkeiten hatte der Banco Publico jedoch bis in das frühe 19. Jahrhundert Bestand. Er regulierte den Nürnberger Wechselmarkt insofern, als alle Finanztransaktionen, die höher als 200 Gulden lagen, bargeldlos über ihn abgewickelt werden mussten.
Der Autor sieht in der Bearbeitung der Thematik vor allem ein Forschungsdesiderat, da aufgrund der überbordenden Quellen die Geschichte des Banco bisher kaum aufgearbeitet wurde. Dementsprechend wurde auch in dieser Studie eine Quellenauswahl getroffen, die sich auf zwei Hauptüberlieferungen beschränkt. Zum einen wurden die Daten der Aktivseiten der Bilanzbücher, also die Einlagen, aufgenommen. Zum anderen wurden die Bancogebührenbücher in die Untersuchung mit einbezogen. Denn die Gebühren standen in Relation zu den finanziellen Transaktionen, so dass festgestellt werden kann, welche gebührenpflichtigen Summen umgeschlagen wurden. Darunter fielen Einlagen, Geldentnahmen ebenso wie Überschreibungen von einem zu einem anderen Konto innerhalb des Banco. Allerdings waren Geldentnahmen auf Kredit gebührenbefreit.
Von Interesse erschien dem Autor nicht nur die Entwicklung der Einlagen und Umsätze, sondern auch wie ein durch den Banco regulierter Finanzmarkt funktionierte bzw. wie sich die Position des Banco im Untersuchungszeitraum veränderte. Darüber hinaus sieht Denzel die Entwickelung des Verhältnisses zwischen ansässigen Nürnberger Kaufleuten und den auswärtigen jüdischen Kaufmanns-Bankiers als zentral an, ebenso wie die Frage nach dem Innovationsanspruch des Banco im Verlauf des Untersuchungszeitraumes.
Der erste Teil der Untersuchung befasst sich mit der Entstehung des öffentlichen Bankensektors in Europa und im Reich. Chronologisch werden die wichtigsten Institute behandelt, von den vorwiegend italienischen Banken im Mittelmeerraum über die nordwesteuropäischen Gründungen bis hin zu den Beispielen im Reich in Leipzig, Wien und Berlin. Dabei gelingt es dem Autor, die Notwendigkeit dieser neuen Institutionen im Hinblick auf die Verwaltung von Staats- und Stadtschulden sowie Währungsstabilität und -sicherheit vor Augen zu führen. Gleichzeitig werden die Banken in ihren jeweiligen, spezifischen Entstehungskontext eingebettet und in ihrem Entwicklungsverlauf geschildert.
Unter drei Aspekten untersucht der Autor in der Folge den Nürnberger Banco Publico: Er behandelt die Voraussetzungen für dessen Gründung - die Vorläufer wie auch die monetären Hintergründe -, bevor er dessen Funktionsweise anhand der Banco-Ordnungen der Jahre 1621, 1654 und 1721 erläutert und seinen Charakter als städtisches Amt problematisiert.
Der Geschäftstätigkeit des Banco ist das größte Kapitel des Bandes gewidmet, wobei besonderes Augenmerk auf dem 17. Jahrhundert liegt. Nach anfänglicher Begeisterung zeigte sich schon 1635 die Zahlungsunfähigkeit des Banco - ein Bankrott, verschuldet durch die Nürnberger Stadträte, die zu hohe Summen aus der Kasse entlehnt hatten. Erst eine Reorganisation belebte die Bankgeschäfte - bis 1654 eine weitere Banco-Ordnung erneut die Umsätze sinken ließ. Dabei zeigte sich, wie sehr die jeweilige städtische Geld- und Finanzpolitik, die sich in den entsprechenden Banco-Ordnungen äußerte, die Geschäftsentwicklung des Banco beeinflusste. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts war die Bedeutung des Nürnberger Wechselmarktes dann endgültig auf regionales Niveau abgesunken.
Wie schon aus den Einnahmen der Bancogebühren ersichtlich, unterschied der Gebührensatz zwischen jüdischen und christlichen Kaufleuten. Dabei handelte es sich in der Regel um christliche Einheimische und jüdische Auswärtige, wobei letztere erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auf dem Nürnberger Bankenplatz eine Rolle zu spielen begannen. Das Verhältnis dieser beiden Personengruppen im Umfeld des Banco nimmt Denzel nun zwischen 1650 und 1808 näher in den Blick. Dabei zeigt sich, dass gleichzeitig mit der abnehmenden Bedeutung Nürnbergs als Handelsplatz die jüdische Geschäftstätigkeit in den 1680er Jahren zunahm, was Rat und Bürgerschaft derart in Sorge versetzte, dass in einer neuen Banco-Ordnung die Gebührensätze der Christen halbiert wurden, während die für jüdische Kaufleute bestehen blieben. Dennoch kam es in der Folge zu deren vermehrter Geschäftstätigkeit, obwohl die Juden weiterhin benachteiligt waren. Andererseits waren sie zunehmend Vorwürfen ausgesetzt, den Banco zu umgehen und anderweitig ihre Geschäfte zu betreiben. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts verlor jedoch der Banco generell an Bedeutung, und entsprechend waren die Zahlen aller Geschäftsleute rückläufig, womit auch die Konkurrenzsituation endete.
In seinem Resümee stellt Denzel heraus, dass die Situation des Banco die altbekannte Lage Nürnbergs nur bestätigt, nämlich den ökonomischen Niedergang, der sich bereits gegen Ende des 16. Jahrhunderts andeutete - zu einem Zeitpunkt, als der Banco noch nicht einmal gegründet war. Verglichen mit Venedig oder Hamburg, die ihre Position als Finanzplatz auch ihrer Lage als Seestädte aufgrund der dadurch einfachen Edelmetallzufuhr verdankten, hatte Nürnberg einen ungünstigeren Standort. Dass der Banco dennoch rund 200 Jahre existierte, verdankte er weniger seinem finanziellen Erfolg als vielmehr seiner Funktion als Stabilitätsgarant im bargeldlosen Zahlungsverkehr. Allerdings hatte die Bank - ebenfalls im Gegensatz zu vergleichbaren Institutionen - den Nachteil, dass ihre Dienstleistungen nicht kostenlos waren, sondern Gebühren anfielen. Damit sowie mit der Zulassung des mehrfachen Indossaments 1700 verlor der Banco Publico eigentlich seine bankenwirtschaftliche Existenzberechtigung, dennoch wurde er aus Traditionsgründen weiterhin am Leben erhalten, obwohl seine ökonomische Relevanz zunehmend sank. So vermag der Autor die bisherige negative Beurteilung des Banco Publico nicht aus der Welt zu schaffen, sondern höchstens zu relativieren - ein Ergebnis, das irgendwie den Eindruck hinterlässt, dass man eigentlich nichts anderes erwartet hat.
Hinsichtlich der internationalen Relevanz des Nürnberger Banco Publico mag man geteilter Meinung sein, jedoch lebt die Studie nicht nur von ihrem Detailreichtum und der minuziösen Darstellung der Handlungsabläufe und Funktionsweisen, sondern auch von der Einbettung des Nürnberger Bankeninstituts in sein inner-reichisches und europäisches Umfeld. Darüber hinaus macht sie neugierig auf das gesamte voluminöse Quellenkorpus - vielleicht wird die Geschichte des Banco einst doch noch geschrieben.
Andrea Pühringer