Anne J. Cruz / Maria Galli Stampino (eds.): Early Modern Habsburg Women. Transnational Contexts, Cultural Conflicts, Dynastic Continuities (= Women and Gender in the Early Modern World), Aldershot: Ashgate 2013, XVIII + 294 S., 29 s/w-Abb., ISBN 978-1-4724-1164-8, GBP 60,00
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Der anzuzeigende Sammelband nimmt mit den im Titel angedeuteten Themenfeldern Schwerpunkte auf, die in der englischsprachigen Forschung zu Fürstinnen der Frühen Neuzeit in den letzten Jahren vermehrt Aufmerksamkeit gefunden haben; insbesondere gilt dies für die Rolle und das Handlungspotential von Fürstinnen als Mittlerinnen in kulturellen Transfers (6). Zusammengefasst haben die beiden Herausgeberinnen hier Beiträge, die "political agency" und "personal experience" (XVII) von Frauen des Hauses Habsburg diskutieren. Dabei formulieren die Herausgeberinnen zwar ausdrücklich den Anspruch, sowohl die spanische wie die deutsche Linie des Hauses in den Blick zu nehmen (1), aber in den elf enthaltenen Beiträgen wird keine einzige Kaiserin oder Erzherzogin, die innerhalb des Alten Reiches wirkte, thematisiert.
Die Reihe der vier Kapitel, zu denen diese Beiträge zusammengefasst wurden, beginnt mit drei Texten unter der Überschrift "Transnational and transcultural ties": Im ersten steckt Joseph Patrouch auf der Basis einer Erhebung zu Eheverbindungen seit dem späten Mittelalter räumlich-politische Interessensphären der Habsburger ab. Maria Galli Stampino bietet in ihrem Text ein neues Deutungsmuster für die umfangreichen Aktivitäten von Großherzogin Maria Magdalena an, mit denen diese sich an der Gestaltung höfischer Kultur in Florenz beteiligte. Stampino macht dabei sehr plausibel, wie die traditionelle, eher negative Wertung der Fürstin Wertvorstellungen des 19. Jahrhunderts perpetuierte, die Historiker der Zeit mit der Person der Großherzogin verbanden (46f.). Erst ein kritisches Hinterfragen solcher Wertungen erlaubt einen neuen Blick auf die Handlungsmacht einer Fürstin, die Kunst ebenso wie religiöse Themen bewusst zur Formulierung eigener Vorstellungen ihrer Rolle als Regentin nutzte. Blythe Alice Raviola widmet sich dann Margherita von Savoyen, die als Herzogin von Mantua, als Witwe im Turiner Exil und schließlich als Vizekönigin von Portugal im Laufe ihres Lebens sehr verschiedene dynastische Handlungsfelder zugewiesen erhielt.
Der zweite Abschnitt "Epistolary and spatial power" umfasst ebenfalls drei Beiträge: Magdalena S. Sánchez stellt anhand eines kleinen Ausschnittes für das Jahr 1588 die faszinierende Korrespondenz zwischen Catalina Micaela von Savoyen, der jüngeren Tochter Philipps II. von Spanien, und ihres Gemahls Carlo Emmanuele vor. Die Texte erlauben es insbesondere, auch die erhebliche politische Rolle nachzuzeichnen, die die Herzogin mehrfach als Regentin während der Abwesenheiten ihres Gemahls spielte. Vanessa de Cruz Medina schließt mit einem Beitrag zur Korrespondenz von Sor Ana Dorotea de la Concepción an. Diese natürliche Tochter Kaiser Rudolfs II. verbrachte fast ihr gesamtes Leben im Madrider Kloster Descalzas Reales, aber entgegen des traditionellen Bildes von ihr als frommer und zurückgezogener Beterin findet Cruz Medina sie in politischen und sozialen Netzwerken am Madrider Hof aktiv bis zu ihrem Tod 1694. Félix Labrador Arroyo widmet sich dann einem räumlich-organisatorischen Aspekt, indem er die Entwicklung des Haushaltes der spanischen Königin im 16. Jh. nachzeichnet.
Es schließen sich zwei Beiträge unter der gemeinsamen Überschrift "Birthing Habsburgs" an, in denen María Cruz de Carlos Varona materieller Kultur im Zusammenhang mit Geburten am spanischen Hof nachgeht, während Silvia Z. Mitchell sich der Macht von Maria Anna, der Mutter des letzten spanischen Habsburgers, während ihrer Regentschaft widmet. Auch sie setzt sich dabei zunächst mit älteren Wertungen des politischen Handelns der Königin-Witwe auseinander, um dann durch die Analyse der unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen von Maria Annas politischem Einfluss vor und nach dem Antritt der Regierung ihres Sohnes ein differenzierteres Bild der "politics of motherhood" zu zeichnen, die die Königin erfolgreich praktizierte.
Schließlich folgen noch einmal drei Beiträge unter der Überschrift "Visual and sartorial politics": Mercedes Llorente analysiert detailliert den Aufbau und die Aussage verschiedener Porträttypen, die für die eben schon erwähnte Maria Anna von Spanien überliefert sind. Laura Oliván Santaliestra zeigt in ihrem Beitrag über Isabella von Spanien, die erste Gemahlin Philipps IV., unter anderem, wie ihr Übergang von der französischen in die spanische Hofgesellschaft durch Kleidung und die Veränderung des Habitus im Sinne höfischen Auftretens gestaltet wurde. Die Relevanz dieses kulturellen Überganges zeigt sich nicht zuletzt in der Instrumentalisierung kultureller Differenz durch politische Gegner der Königin in den zwanziger Jahren (232f.). Cordula van der Wyhe befasst sich dann mit der Gestaltung der Witwentracht unter den spanischen Habsburgerinnen und zeigt plastisch, dass auch der in Madrid und Brüssel bevorzugte klösterliche Habit Möglichkeiten bot, die herausgehobene dynastische Position seiner Trägerinnen darzustellen.
Anne Cruz formuliert in ihrem Vorwort, in dem sie vorrangig die Beiträge noch einmal zusammenfasst, dass der Band darauf abziele, den Neubewertungen, die das Handeln verschiedener Habsburgerinnen in den letzten Jahren erlebt habe, Rechnung zu tragen und dazu auch neue Quellen zu nutzen. Das ist zweifellos ein verdienstvolles Vorhaben, und etliche der enthaltenen Beiträge tun auch genau dies, wenn etwa der Zusammenhang zwischen zeitgenössisch-frühneuzeitlicher Thematisierung einzelner Fürstinnen und dem bis heute bzw. bis in die jüngste Vergangenheit gültigen Bild der Person aufgezeigt wird. Interessante neue Quellen wie die Korrespondenzen von Catalina Micaela von Savoyen und ihrer Tochter Margherita, die Einbeziehung von Porträts und höfischen Festen etc. erweitern und ergänzen das Bild der einzelnen Fürstin.
Problematisch an dem Band sind jedoch aus meiner Sicht mindestens zwei Aspekte: Zum einen wird der Begriff der "political agency", den die Herausgeberinnen verwenden, nie übergreifend thematisiert, so dass in manchen Beiträgen ein enger, eher moderner Politik-Begriff, in anderen ein sehr weiter zur Anwendung kommt. Wie oft in der englischsprachigen Forschung wird politisches Handeln von fürstlichen Frauen eher auf Zeiten von Regentschaft bzw. Statthalterschaft bezogen, als dass über dessen zeitgenössisch-frühneuzeitliche Dimension reflektiert wird. Für diese Frage, wie in Hinblick auf die von Cruz (5, 8f.) immer noch einseitig thematisierte Rolle von Frauen als Opfer dynastischer Heiratspolitik, wäre es aus meiner Sicht weiterführend gewesen, wenn Forschungen der letzten Jahre auch außerhalb dessen, was auf Englisch publiziert wurde, rezipiert worden wären.
Damit ist zugleich ein zweiter Punkt angesprochen: Wenn man einen Band publiziert, der explizit den Anspruch erhebt, beide Linien des Hauses Habsburg zu behandeln, wäre es doch wohl notwendig, zumindest einen Beitrag aufzunehmen, der sich tatsächlich der deutschen Linie widmet bzw. zumindest einige neuere Publikationen dazu auszuwerten. Aber selbst bei den Texten, die mit Maria Anna von Spanien oder Maria Magdalena von Toskana Frauen in den Mittelpunkt rücken, die aus der deutschen Linie stammten, wird keinerlei Bezug darauf genommen - und für die Forschung zum Haus Habsburg erscheinen ausschließlich englischsprachige bzw. übersetzte Titel im Literaturverzeichnis. Dies gilt mit wenigen und eher zufällig anmutenden Ausnahmen für alle Beiträge. Diese gerade in der englischsprachigen Forschung generell zu beobachtende Ignoranz ist umso ärgerlicher, als das Alte Reich, die deutschen Habsburger und der Wiener Hof ebenso wie die Rolle von Frauen in fürstlichen Dynastien wirklich Themenfelder darstellen, in denen substanzielle Beiträge auch in anderen Sprachen vorliegen. Zumindest sollte man, das gebietet aus meiner Sicht die wissenschaftliche Redlichkeit, darauf hinweisen, dass es eine Forschung jenseits des eigenen Sprachraumes gibt - wenn deren Wahrnehmung schon an sprachlichen Hürden scheitert.
Katrin Keller