Rezension über:

Anna Pawlik / Michele C. Ferrari (Hgg.): Die Gumbertusbibel. Goldene Bildpracht der Romanik, Nürnberg: Germanisches Nationalmuseum 2014, 216 S., 147 Farb-Abb., ISBN 978-3-936688-85-6, EUR 26,70
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Rezension von:
Stefanie Westphal
Institut für Kunstgeschichte, Universität Stuttgart
Redaktionelle Betreuung:
Ulrich Fürst
Empfohlene Zitierweise:
Stefanie Westphal: Rezension von: Anna Pawlik / Michele C. Ferrari (Hgg.): Die Gumbertusbibel. Goldene Bildpracht der Romanik, Nürnberg: Germanisches Nationalmuseum 2014, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 12 [15.12.2014], URL: https://www.sehepunkte.de
/2014/12/25493.html


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Anna Pawlik / Michele C. Ferrari (Hgg.): Die Gumbertusbibel

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Die vorliegende Publikation erschien begleitend zur gleichnamigen Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg. Vom 1. Mai bis 27. Juli 2014 stand dort die sogenannte Gumbertusbibel, der Codex 1 der Universitätsbibliothek Erlangen, im Mittelpunkt des Interesses.

In wissenschaftlicher Hinsicht verstehen sich Ausstellung und Katalog ergänzend zu unter anderem bereits von Veronika Pirker-Aurenhammer [1] und Elisabeth Klemm [2] geleisteten kunsthistorischen Analysen, die das Bildprogramm der Riesenbibel und ihre künstlerische Heimat besprechen. Mit kodikologischen und paläografischen Untersuchungen sowie Überlegungen zum Nutzungszusammenhang des gewichtigen Buchblocks zeigen sich nun erweiterte Ergebnisse.

Der einführende Beitrag von Anna Pawlik enthält den aktuellen Forschungsstand zur Auftraggeberschaft (11, 12), zum Bildprogramm (13) sowie den beteiligten Künstlern und ihrer Heimat oder Arbeitsstätten (15-23). Er berücksichtigt hierbei die im weiteren Verlauf der Publikation vorgelegten Ergebnisse. Besondere Beachtung findet die Frage nach der Heimat der Schreib- und Malwerkstatt. Diskutiert werden hier, nach wie vor, Regensburg und Salzburg. Dem Beitrag gelingt es, die Bedeutung der Bibel gerade im kunsthistorischen Kontext der romanischen Zeit gehaltvoll zu reflektieren und zu unterstreichen. Hier wäre es informativ gewesen, die Ausstrahlung der Bibel und ihrer verwandten Handschriften - den Handschriften der sogenannten Nekrologgruppe - bis ins 13. Jahrhundert zu verfolgen. So zeigen fränkische, vermutlich in Bamberg entstandene Handschriften Ähnlichkeiten in der Bildausstattung, die vermittelt durch den Bamberger Psalter bereits früh von Regensburg nach Bamberg gelangten. [3]

Michelle C. Ferrari widmet sich in einem umfassenden Beitrag der Gattung der einbändigen Vollbibeln der Spätantike und des Mittelalters, den sogenannten Pandekten (25-39). Hierbei liegt ein deutlicher Schwerpunkt auf den frühmittelalterlichen Werken, insbesondere den Bibeln aus dem karolingischen Kloster Tours. Dies ist nicht verwunderlich, sind sie es doch, die wiederum als Grundlage für die Herstellung der großformatigen Bibeln im 11. und 12. Jahrhundert gedient haben. Letztere werden von Ferrari vor dem interessanten Hintergrund ihrer Verwendungsmöglichkeiten im Mittelalter diskutiert, eine Fragestellung die bisher in der Forschung noch unzureichend berücksichtigt wurde. Ein kurzer Ausblick auf die nach dem 12. Jahrhundert einsetzende serielle Bibelproduktion in Paris mit den hier eingeführten kleinen Pandekten in "Taschenformat" schließt den Einblick ab. Hier wäre es der Vollständigkeit halber sinnvoll gewesen, auf die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und um 1300 erfolgte Rezeption dieses Formats, unter anderem im deutschsprachigen Raum, aufmerksam zu machen. Liegen doch hier, insbesondere im stark französisch beeinflussten mittelrheinischen Gebiet, Handschriften vor, die im Format zwar etwas größer als die Pariser Vorbilder angelegt, aber nachweislich in der Ausstattung mit Text und Bild überwiegend nach dem Pariser Vorbild erstellt worden sind. So sind als Beispiele für den Mittelrhein die sich im Privatbesitz befindliche Hermannus-Bibel (Mittelrhein, evtl. Mainz, 1271), die Bibel der Kölner Dombibliothek (Hs. 2, evtl. Köln, Ende 13. Jahrhundert) und der Codex Henrici (Universitätsbibliothek Münster, Cod. 1, Raum Köln oder Westfalen, frühes 14. Jahrhundert) zu nennen.

In der folgenden Zusammenstellung wendet sich Christoph Winterer dem Themenkomplex der romanischen Bibelillustration in Süddeutschland und Österreich zu und bespricht somit die für die Gumbertusbibel relevante Region und Zeitstellung (40-55). Es ergibt sich hierbei eine thematische Doppelung mit dem Beitrag von Ferrari, da ein Abschnitt zum Umgang mit der Bibel im Hochmittelalter vorangestellt wurde (vgl. oben den Beitrag von Ferrari zu den Verwendungsmöglichkeiten). Ein eigenständiger, separater Beitrag zum Thema wäre hier durchaus angemessen gewesen.

Der Situation in Süddeutschland angemessen erfolgt nun bei Winterer eine genaue und kenntnisreiche Darstellung der italienischen Bibelimporte vor dem Hintergrund der Kirchenreform und ihrer Vorbildfunktion für die großformatigen Bibeln aus Salzburg. Sprechende Beschreibungen und gute Abbildungen präzisieren den Rezeptionsprozess und lassen in diesem Zusammenhang verstehen, warum in der Forschung lange Zeit die Gumbertusbibel, als größter Bibelzyklus der süddeutschen Romanik, diesem Zentrum zugeschrieben wurde. Ein abschließender Abschnitt geht nun auf Regensburg und die hier gepflegte Ausstattungsweise ein, wobei, wie Winterer betont, "der entscheidende Unterschied der Regensburger zur Salzburger Buchmalerei [...] die Ausrichtung auf die lehrhafte Vermittlung statt auf die bildhafte Repräsentation" (52) liegt.

Mit der Untersuchung zu Text und Schrift der Gumbertusbibel (56-63) betreten die Autoren Ferrari und Rosa Marulo weitestgehend Neuland. Ein Textabgleich ergab, dass sich in der für die Gumbertusbibel verwendeten Textversion Lesarten finden, die nicht mit der Vulgata-Version des Hieronymus übereinstimmen und unter anderem Anklänge an Bibeln aus "den früheren Jahrhunderten" (57), wie dem Codex Amiatinus, zeigen. Nur gelegentlich auftretende Fehler der Kopisten / Schreiber des 12. Jahrhunderts, 12 an der Zahl, sprechen bei der Gumbertusbibel für ein gutes, solide arbeitendes Skriptorium. Der anschließende paläografische Befund zeigt, dass eine Zuschreibung der Schreiber an Salzburg oder ein salzburgisch beeinflusstes Zentrum wahrscheinlich ist. Vor diesem Hintergrund tritt Salzburg neben Regensburg als Entstehungsort der Handschrift wieder stärker in den Vordergrund, wurde Regensburg doch zuletzt favorisiert (Pirker-Aurenhammer). Mit Recht hebt Ferrari in diesem Zusammenhang die Mobilität der Schreiber und Künstler im 12. Jahrhundert hervor (63), deren nicht immer durchgängig ortsgebundene Tätigkeit die Frage nach dem genauen Entstehungsort von Handschriften zusätzlich erschwert.

Die von Frank Heydecke, Randall Herz und Anna Pawlik vorgelegten Befunde der im Rahmen der Ausstellung vorgenommenen kodikologischen und materialtechnischen Untersuchungen runden das Bild ab (64-75). Hervorzuheben ist hier die von Pawlik gelungene Zuschreibung der original romanischen Mittel- und Eckbeschläge des Einbands zur Magdeburger Bronzegießhütte, die zur Zeit Erzbischofs Wichmanns zu den bedeutendsten ihrer Zeit gehörte.

Der nun folgende Katalog mit insgesamt 38 gut recherchierten Einträgen folgt in seiner Gliederung weitestgehend den vorangestellten Aufsätzen und ist in folgende Kategorien unterteilt: Zum ewigen Gedächtnis / Die Gumbertusbibel und ihre Stifter; Pandekt / Die Gumbertusbibel und die Tradition der einbändigen Bibeln; Gott und die Welt / Natur und göttliche Schöpfung; Farbenpracht und Dekor / Der künstlerische Kontext; Lesen und Lehren / Das Gumbertusstift und seine Bücher. Eingeleitet werden diese Abschnitte durch kurze, das Thema eingrenzende und beschreibende Texte.

Die gesamte Publikation ist reich und zum Teil großformatig und in hervorragender Qualität bebildert. Sie wird der Gumbertusbibel, diesem überaus wichtigen Zeugnis romanischer Buchkunst, gerecht und zeigt, dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Historikern, Kunsthistorikern und Restauratoren zu gehaltvollen Ergebnissen und, wie in diesem Fall, zu wichtigen und neuen Forschungsergebnissen führen kann.


Anmerkungen:

[1] Veronika Pirker-Aurenhammer: Die Gumbertusbibel. Codex 1 der Universitätsbibliothek Erlangen. Ein Regensburger Bildprogramm des späten 12. Jahrhunderts (= Regensburger Studien und Quellen zur Kulturgeschichte; Bd. 7), Regensburg 1998 [Nachdruck 2003].

[2] Zuletzt: Elisabeth Klemm: Schwerpunkte der Regensburger Buchmalerei im späten 12. und ersten Drittel des 13. Jahrhunderts. Anmerkungen zum Forschungsstand, in: Zeitschrift des deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 63 (2009), 9-45.

[3] Stefanie Westphal: Der Comburger Psalter und die fränkische Buchmalerei des 13. Jahrhunderts, in: Studien zur Buchmalerei des 13. Jahrhunderts in Franken (= Kieler Kunsthistorische Schriften N.F.; Bd. 14), hg. v. Klaus Gereon Beuckers, Kiel 2011, 163-208.

Stefanie Westphal