Robert Rebitsch: Die Englisch-Niederländischen Seekriege, Wien: Böhlau 2014, 375 S., ISBN 978-3-205-79470-7, EUR 29,90
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Der österreichische Historiker Robert Rebitsch möchte mit seiner Studie keine quellengesättigte neue Darstellung der militärischen Auseinandersetzungen liefern, sondern eher sein Schwergewicht auf den Gesamtvergleich der maritimen Konkurrenten richten: Wenn in der Forschung von der Gemeinsamkeit der "Seemächte" die Rede ist, wird verunklart, wie unterschiedlich beide Staaten strukturiert waren. Rebitsch stützt sich auf den Forschungsstand, der vor allem in englischer und niederländischer Sprache vorliegt. Er füllt insofern eine Lücke, als die Seekriege in der deutschsprachigen Forschung kaum behandelt wurden und daher weitgehend unbekannt sind. Ausdrücklich will er politisch-militärische, wirtschaftliche und konfessionell-ideologische Rahmenbedingungen der Kriege in gleichgewichtiger Weise darlegen, um dadurch einseitige Sichtweisen zu überwinden, die in früheren Studien nicht selten den Blick auf den Gesamtkomplex verstellten.
Rebitsch gliedert seine Studie systematisch. Nach der Einleitung folgt ein Kapitel, das die internationale Lage in Europa in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts darstellt, wobei die überseeische Expansion eine zentrale Rolle spielt. Das dritte Kapitel widmet sich den beiden Kontrahenten: Rebitsch untersucht das politische System, die Konfessionsverhältnisse und die Ökonomie. Jedes Land bekommt einen vierten Abschnitt, für die Niederlande gilt er dem "Goldenen Zeitalter", für England dem Militärwesen, Bereiche, die sich transnational nicht direkt vergleichen lassen. Der englische Militärteil ist mit einer Seite Umfang denn auch nicht mehr als ein Anhängsel.
Im vierten Kapitel untersucht Rebitsch die "Globalisierung" im 17. Jahrhundert, eine modische Floskel, die seit einiger Zeit von Historiographen für alle möglichen Zeitalter verwendet wird. In diesem Fall wird richtigerweise der weltweite Handel und die dadurch geförderte Staatenkonkurrenz vorgestellt. Das fünfte Kapitel springt an den Anfang des Konflikts und geht auf die Navigationsakte, die vorgeblichen und tatsächlichen Kriegsgründe, die politischen Ursachen und die konfessionell-ideologischen Erklärungen beider Seiten ein, wobei in Wiederaufnahme der Einleitung verschiedene Interpretationsmodelle der Forschung abgewogen werden. Der englische Wortlaut der Navigationsakte wird komplett eingerückt, dabei allerdings auf eine obskure Internetseite einer amerikanischen "Constitution Society" verwiesen (114-117). Im sechsten Kapitel stellt Rebitsch die militärischen Kapazitäten der Kriegsparteien sowie ihr strategisches und taktisches Verhalten vor.
Im siebten Kapitel werden in drei Abschnitten die drei ersten Seekriege untersucht. Es folgen Unterkapitel zu den Nebenkriegsschauplätzen und zur Landkriegsführung, wobei unklar bleibt, warum dieser Gedankenzusammenhang nicht als dritter Punkt im sechsten Kapitel erscheint. Das achte Kapitel ist den drei Friedensschlüssen von Westminster 1654, Breda 1667 und Westminster 1674 gewidmet. Im neunten Kapitel lässt Rebitsch seine Gedanken zur Erinnerungskultur an die Seekriege folgen. Im zehnten Kapitel analysiert er in einem Exkurs den vierten Englisch-Niederländischen Seekrieg in den 1780er Jahren, der die Republik politisch und wirtschaftlich endgültig zu einer europäischen Randgröße verkleinerte. Ein Epilog schließt das Werk ab.
Robert Rebitsch schließt mit seiner Studie eine Lücke des Wissens, indem er einen wichtigen internationalen Konflikt, der für den Aufstieg Englands zur Weltmacht entscheidend war, der deutschsprachigen Leserschaft vor Augen stellt. Dabei gelingt es ihm, den politisch-militärischen Kern der Auseinandersetzungen breit einzubetten in politiktheoretische, konfessionspolitische, ökonomische und kulturelle Faktoren. Der international relevante Forschungsstand wird dazu kundig ausgewertet, so dass es sich verbietet, das Fehlen einzelner Spezialstudien zu bemäkeln. Durch einen Überblick über die Erinnerungskultur bettet Rebitsch seine Analyse auch in moderne Forschungskontexte ein, die den politikgeschichtlichen Schwerpunkt hier in der Tat erweitern. Neben dem üblichen wissenschaftlichen Apparat folgt dankenswerterweise ein Personenregister, ein Index der Orte hätte auch beigefügt werden können.
Johannes Arndt