Hartmut Beyer / Gabriela Signori / Sita Steckel (eds.): Bruno the Carthusian and his Mortuary Roll. Studies, Text, and Translations (= Vol. 16), Turnhout: Brepols 2014, XII + 326 S., ISBN 978-2-503-55009-1, EUR 80,00
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In vorliegendem Band wurde die Totenrolle Brunos des Kartäusers von Hartmut Beyer, Gabriela Signori und Sita Steckel erneut ediert. Anlass für diese Edition war das 500-jährige Jubiläum der Heiligsprechung Brunos, seitdem bekannt als Gründer des Kartäuserordens.
Der Band besteht aus zwei Teilen: der erste bietet eine Zusammenstellung von fünf Studien über die Totenrolle und ihre Begleittexte, worauf im zweiten die tatsächliche Edition bestehend aus einer lateinischen Transkription des Textes mit Übersetzungen ins Deutsche und Englische folgt. Die Studien sind ihrerseits in zwei Teile untergliedert: 'Part. I: the Mortuary Roll' und 'Part II. Bruno the Carthusian in Context'.
In ihrer Einleitung 'Introduction: the Rotulus' erläutert Gabriela Signori auf wenigen Seiten, was eine Totenrolle ist und welche Funktion sie im Mittelalter erfüllte, nämlich den Tod einer bestimmten Person zu verkünden, damit sich eine Gebetsgemeinschaft ausbilden konnte, was Hartmut Beyer seinerseits auf zwei Karten gut nachvollziehbar visualisiert (viiii-ix). Darüber hinaus präsentiert Signori die edierte Quelle und den status quo ihrer Überlieferung: es handelt sich um einen Druck von 1515 mit der ersten Edition der Totenrolle Brunos aus den Jahren 1101-1103. [1]
Gestützt auf diesem Druck konzentrieren sich die Editoren auf den 'Appendix' einer vom Generalprior des Kartäuserordens - François Du Puy - im Jahr 1515 verfassten Vita Brunonis. Die Edition beginnt auf Folio 5 v des Druckes von 1515 und setzt mit einigen, von Bruno selbst verfassten Worten ein. Darauf folgen Gedichte über Bruno aus der Feder der ersten Editoren des rotulus, den Humanisten Heinrich Wölflin und Heinrich Glarean, die 178 tituli der Totenrolle und schließlich die Divi Brunonis vitae institutio sowie die Exhortatio ad lectorem de uita solitaria von Sebastian Brant.
In seinem Aufsatz 'Background and production of the early modern print' übernimmt David J. Collins die Aufgabe, konzis in die Quellengattung einzuführen. Es handelt sich um einen Frühdruck mit humanistischen Gedichten, exemplarisch verdeutlicht anhand der Texte von Wölflin, Brant und Glarean. Diese Autoren geben auf dichterische Weise Bruno dem Kartäuser und dem kartäusischen Leben insgesamt die Ehre, als dessen Begründer Bruno ja gilt. Die Gedichte von Wölflin und Glarean entstanden in Zusammenhang mit ihrer Editionsarbeit des rotulus. Das Gedicht und die Exhoratio von Brant erschienen allerdings schon zuvor in zwei anderen Werken (20) und wurden lediglich in diesen Druck übernommen. Ausgehend vom rotulus, der sowohl Epitaph als auch tituli beinhaltet, unterstreicht Beyer die ähnlichen Funktionen dieser Schriften, auch wenn sie formal unterschiedlich sind. Mit diesem vortrefflichen Aufsatz zeichnet Beyer die lange Evolution der Schriftgattungen nach und bietet damit einen guten Einstieg in das vorliegende Editionsprojekt, das aufgrund der unterschiedlichen Entstehungsdaten der Texte eine hybride Form aufweist.
In einem zweiten Teil wird die Persönlichkeit Brunos im Kontext untersucht, zunächst mit dem Aufsatz von Constant J. Mews über die Evolution der scholastischen Kultur in Nordfrankreich am Ende des 11. Jahrhunderts. Mews untersucht nicht nur die Situation der Gelehrten in Brunos Umfeld, sondern behandelt auch seine Arbeit als Lehrer und führt den Leser insbesondere in seinen Psalmenkommentar ein. Schließlich beschäftigt sich Sita Steckel in ihrem Aufsatz 'doctor doctorum', mit der Nachfolge Brunos im Kreis der Gelehrten anhand der registrierten tituli. In der Tat scheint die Rezeption der Totenrolle Brunos vor allem auf seinem Einfluss als Lehrer zu beruhen.
Der Hauptteil des Bandes beinhaltet die Edition und ihre Übersetzungen. Die lateinische Transkription übernimmt das Layout des Codex. Darauf folgt in kursivem Blocksatz die deutsche Übersetzung, die von acht Personen unter der Leitung der Editoren verfasst wurde. Jeder titulus, beziehungsweise jedes Gedicht wurde mit dem Namen des jeweiligen deutschen Übersetzers markiert. Danach schließt in Blocksatz die englische Übersetzung an, die sich einem einzigen Übersetzer verdankt. Diese Edition ist sehr benutzerfreundlich gestaltet und die Übersetzungen sind gelungen, weil sie eine gute Transkription begleiten und ergänzen.
Die Studien über die Totenrolle betonen richtigerweise die klerikale Persönlichkeit Brunos, die in den edierten tituli eindeutig herausgestellt wird. Dennoch annonciert das Buch in Titel und Untertitel - 'Bruno the Carthusian in Context' -, dass es sich bei ihm um einen Kartäuser handelt. Die kartäusischen Eigenschaften der Person werden innnerhalb der Totenrolle jedoch kaum thematisiert, sondern finden sich vor allem in den humanistischen Gedichten, die Gegenstand der Untersuchungen im ersten Teil 'Part. I. The mortuary Roll' waren. Der rotulus entstand zwar in der kalabrischen Kartause, in der Bruno 1101 starb, und fand auch seinen Weg in die Grande Chartreuse, die Merkmale jedoch, die Bruno darin zugeschrieben wurden, verweisen eher auf sein Leben als Kleriker-Lehrer denn auf seinen eremitisch-monastischen Werdegang. Zum Kartäuser wurde Bruno endgültig erst durch die Arbeit von François Du Puy, der die erste offizielle kartäusische Vita verfasste und deren Druck, zusammen mit der ersten Edition der Totenrolle, samt den drei Gedichten, in Auftrag gab. Die ausgewählte Druckfassung von 1515 als Gesamtwerk steht für du Puys Ansinnen, aus Bruno 'Bruno the Carthusian' zu machen.
Es ist schade, dass dieser Band keine Edition der Vita von François Du Puy beinhaltet, weil der Zweck der Kompilation von 1515 - mit der ersten Edition der Totenrolle - missverstanden werden kann. Die Druckfassung wurde vor 500 Jahren in dieser Form zusammengestellt, um die Kanonisation Brunos des Kartäusers zu ermöglichen. Doch begründen die heutigen Editoren begründen ihre Auswahl aus dem Druck von 1515 damit, sich ganz auf den 'appendix to [the] Vita of Bruno' und ganz besonders auf die Totenrolle konzentrieren zu wollen (119). Dabei unterstreicht Collins im Fazit seines Beitrages die Notwendigkeit, die humanistischen Gedichte (23) im Kontext des gesamten Codex zu untersuchen.
Anmerkung:
[1] Die Editoren geben eine URN an (123, n. 10), die auf eine digitalisierte Kopie des Druckes verweist. Viel bequemer ist es aber, die sogenannte persisting URL, die zu diesem Zitierzweck hergestellt wurde, zu benutzen: http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00019629/image_1 [01.07.2015].
Coralie Zermatten