Gabriela Signori: Das 13. Jahrhundert. Einführung in die Geschichte des spätmittelalterlichen Europas, Stuttgart: W. Kohlhammer 2007, 202 S., ISBN 978-3-17-019096-2, EUR 24,00
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Das neue Buch von Gabriela Signori bietet weniger und zugleich mehr als der Titel verspricht. Weniger, weil auf 168 Textseiten natürlich kein ganzes Jahrhundert europäischer Geschichte abgehandelt werden kann - mehr, weil hier nicht nur eingeführt, sondern auch quellennah vertieft wird. "Behandelt werden so unterschiedliche Räume wie England, Frankreich, Spanien und das Heilige Römische Reich" (11). Wie auch am beigegebenen Register unschwer abzulesen, wird also nur das halbe Europa in den Blick genommen. Mit breiter Verwendung von Kreuzzugsquellen und Reisebeschreibungen wird allerdings der europäische Horizont durch andere Mittelmeeranrainer sowie den Fernen Osten erweitert.
Das 13. Jahrhundert ist bereits öfter Gegenstand von historischen Darstellungen mit europäischer Perspektive gewesen. [1] Das Besondere an der vorliegenden Einführung ist, dass "die Quellen, weniger die Forschungsliteratur im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen" (7): eine Gewichtung, die der Autorin von ihren Studenten nahe gelegt wurde, die, nachdem ihnen eine forschungsorientierte Rohfassung vorgelegen hatte, zu bedenken gaben, dass ihnen die Grundlagen fehlten, um etwas mit den verschiedenen Lehrmeinungen anfangen zu können. Dementsprechend beginnt das Buch nicht etwa mit einer abstrakten Diskussion des Europabegriffs, um eine Anschauung vom Weltbild des zu behandelnden Jahrhunderts zu vermitteln, sondern mit einer Betrachtung der Ebstorfer Weltkarte, und endet nicht mit einer langen systematischen Bibliographie, sondern mit einer Beigabe von weiterführender Literatur zu den Kapiteln, die nicht bereits in den vierhundert Anmerkungen zitiert wurde. Bei der Gliederung des Bandes fällt auf, dass das knappe, eher ereignis- und politikgeschichtliche Kapitel "Europas Mächte" (103-121) nicht etwa an den Anfang, sondern in die Mitte gerückt ist, um den Kapiteln "Die Grenzen der Welt", "Die Kirche", "Bildung und Erziehung" den Vortritt zu geben, gefolgt von den Kapiteln "Rechtskodifikationen", "Stadt und Land", "Literatur und Kunst", eine Aufteilung, die vielleicht ebenfalls den Interessen des studentischen Zielpublikums geschuldet ist.
Die breit zitierten Quellen sind klug ausgewählt, geschickt in die jeweilige Thematik eingebunden (und, bei mangelnder Vorlage, zuverlässig übersetzt). So bei den verschiedenen Berichten über die Plünderung von Byzanz im Jahre 1204 im Verlauf des Vierten Kreuzzugs, "dem ersten Kreuzzug, den Christen gegen Christen unternahmen" (21): Es ist richtig und wichtig, gleich eingangs das Augenmerk auf diesen großen Sündenfall der westlichen Christenheit zu richten und damit die östliche Hemisphäre ins Blickfeld zu rücken, deren Bedeutung für ein Verständnis gerade der spätmittelalterlichen Geschichte in jüngerer Zeit immer deutlicher wird. Neben diesem verirrten Kreuzzug werden den Albigenser-, den Kinderkreuzzügen, der Reconquista und den Kreuzzügen im Nordosten breiter Platz eingeräumt, kann doch das 13. Jahrhundert "mit Fug und Recht als das Jahrhundert des Kreuzzugs bezeichnet werden" (28).
Hilfreich sind hier, wie an anderen Stellen, sechs übersichtliche, eigens angefertigte Karten, die neben zwei Plänen und 20 Schwarzweißabbildungen willkommene Orientierung und Veranschaulichung bieten. Lehrreich sind Kommentare wie etwa der Hinweis auf die explizite Korrektur geographischer Angaben, die Wilhelm von Rubruk bei Isidor von Sevilla vorgefunden hatte (52): ein Beleg dafür, dass es im 13. Jahrhundert gelegentlich doch möglich war, Erfahrungswissen dem Buchwissen vorzuziehen (13). Einen würdigen Schluss findet der Band in der Betrachtung der Stifterfiguren und des Ostlettnerreliefs (dem "Matthäusevangelium aus Stein" 167) des Naumburger Doms: glänzende Beispiele, um Grundelemente und Funktionen von Kunst aus der Mitte des behandelten Jahrhunderts zu veranschaulichen. Überhaupt liegt eine Stärke des Buches darin, durch wenige, aber interessante Exempel eine konkrete Anschauung der fremden Zeit zu vermitteln und gleichzeitig Zusammenhänge ihrer wesentlichen Momente aufzuweisen.
Anmerkung:
[1] Vgl. zunächst Léopold Genicot: Le XIIIe siècle européen, Paris 1968, sowie Jean-Patrice Boudet: L'Europe occidentale chrétienne au XIIIe siècle. Études et documents commentés, in: Regards sur l'histoire, hg. von Ders./u.a., Paris 2000; und im gleichen Jahr (aus Essays der Tiefdruckbeilage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hervorgegangen): Das 13. Jahrhundert. Kaiser, Ketzer und Kommunen, hg. von Michael Jeismann, München 2000
Uwe Israel