Martin Espenhorst: Frieden erdenken: Vormoderne Perspektiven auf Europa. Ausgewählte Aufsätze 1995-2014. Mit einem Geleitwort von Heinz Duchhardt, Baden-Baden: NOMOS 2015, 211 S., ISBN 978-3-8487-1691-3, EUR 39,00
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Ingrid Sammler: Höfische Festkultur im Zeitalter Ludwigs XIV., Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2009
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Mark Häberlein / Christof Jeggle (Hgg.): Materielle Grundlagen der Diplomatie. Schenken, Sammeln und Verhandeln in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Konstanz: UVK 2012
Heinz Duchhardt / Martin Espenhorst (Hgg.): August Ludwig (von) Schlözer in Europa, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2012
Martin Espenhorst / Heinz Duchhardt (Hgg.): Frieden übersetzen in der Vormoderne. Translationsleitungen in Diplomatie, Medien und Wissenschaft, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2012
Martin Espenhorst (Hg.): Frieden durch Sprache?, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2012
Der Band versammelt elf Aufsätze aus zwei Jahrzehnten von Martin Espenhorst (geborener Peters), der im Jahr 2015 seinen 50. Geburtstag beging. Wie Heinz Duchhardt in seinem Geleitwort gleich einführend anmerkt, ist eine solche Festgabe für einen nach den Maßstäben der Wissenschaft noch jungen Historiker ungewöhnlich. Dies gilt umso mehr, als Espenhorst selbst seine Beiträge zusammengestellt hat und präsentiert, versehen eben mit einem Geleitwort des ehemaligen Direktors des Leibniz-Instituts für Europäische Geschichte in Mainz, wo er Koordinator des Projekts "Europäische Friedensverträge der Vormoderne - online" und Ko-Projektleiter im Verbund "Übersetzungsleistungen von Diplomatie und Medien im vormodernen Friedensprozess" war. Die wiederabgedruckten Beiträge stammen bis auf eine Ausnahme aus diesem Zusammenhang.
Im Mittelpunkt der hier gesammelten Publikationen Espenhorsts, der mit einer von Klaus Malettke betreuten Arbeit über August Ludwig Schlözer in Marburg promoviert wurde, steht der Frieden im europäischen Kontext des 18. Jahrhunderts. Methodisch handelt es sich um Werkstudien zu verschiedenen Staatsrechtslehrern dieser Epoche sowie analytische Arbeiten zu Friedensverträgen, Völkerrecht und Wissenschaft. Thematisch sind die Beiträge in drei Kapitel gegliedert: Europa- und Friedensvorstellungen im 18. Jahrhundert, Friedensvertragsdiskurse im 18. Jahrhundert sowie Mensch und Menschheit als Kategorien der Geschichte.
Europa war im 18. Jahrhundert eine feste Kategorie des politischen und wissenschaftlichen Interesses. Dabei ging es nicht mehr um die militärisch bedrohte Identität wie noch in den Jahrhunderten der osmanischen Expansion, sondern um die europäische Selbstvergewisserung innerhalb der globalen Pluralität. Auch eine neue Wissenschaft wie die Statistik nahm Europa als Ganzes in den Blick und fragte nicht mehr nach dem einzelnen Herrscher und seiner Dynastie, sondern nach den demografischen und geografischen Fakten seines Herrschaftsraumes und darüber hinaus des europäischen Raumes. Sie beeinflusste damit auch die Geschichtswissenschaft, die bereits in dieser Epoche ihrer Entstehung die Tendenz zur europäischen Strukturgeschichte hatte. Espenhorst untersucht sowohl die sich in diesem Zusammenhang zeigenden wissenschaftlichen Ansätze als auch die Biografien wichtiger Gelehrter wie Schlözer oder Johann Heinrich Gottlob von Justi, Dietrich Hermann Hegewisch und Friedrich Carl Moser. Sie entsprachen noch dem Typus des Universalgelehrten, dessen Denken eine breite Perspektive besitzt, hatten dabei aber oft turbulente Lebensläufe. Das Lebens Justis, der als Vater der politischen Ökonomie gilt, verlief geradezu abenteuerlich, während er zugleich eine erstaunliche Produktivität entfaltete, von der Historiker bis heute profitieren.
Europa war eben nicht nur eine Wissenskategorie, sondern ein Handlungsraum und eine Wertegemeinschaft. Das machen insbesondere Espenhorsts Beiträge über unterschiedliche Friedensverhandlungen, Friedensverträge und andere völkerrechtliche Verträge und Völkerrecht des 17. und 18. Jahrhunderts deutlich. Die politischen Akteure benötigten dabei unabdingbar Kenntnisse über Europa, und die Gelehrten stellten diese zur Verfügung. Mit ihrer jeweiligen subjektiven Sicht wurden sie so zu politischen Ko-Akteuren. Dies begann bereits im Bereich der Übersetzungen, die, wie Espenhorst am Beispiel des Pyrenäenfriedens von 1659 zeigt, ganz unterschiedlich ausfallen konnten und damit die Grundlage für verschiedene völkerrechtliche Interpretationen boten. Zugleich lieferten die Gelehrten aber auch eine europäische Perspektive, die sonst im 18. Jahrhundert im politischen Alltag nicht minder leicht in den Einzelinteressen unterging als heute. Ein Mann wie Schlözer lebte und dachte dabei in einer Weise europäisch, die weit über das Politische hinausging. An der Epochenschwelle zum Nationalismus erscheint dies umso bemerkenswerter und eröffnet ein noch zu wenig erschlossenes historisches Entwicklungspotential.
Espenhorsts Beiträge, die hier neu abgedruckt werden, sind in ihrer ersten Publikation jeweils gut zugänglich und stehen dort oft in einem Kontext, der hier verloren geht. Dies gilt umso mehr, als der jeweilige Ort der Erstpublikation nicht beim einzelnen Beitrag nachgewiesen wurde, sondern nur durch die umständliche Recherche im angehängten Gesamtschriftenverzeichnis ermittelt werden kann. Onlinepublikationen wurden gar nicht aufgenommen und damit eine Chance vergeben, sie in die gedruckte Publikationsform zu überführen. Trotz dieser Monita ergibt sich aber aus der vorliegenden Zusammenstellung der verschiedenen Publikationen ein geschärfter, konzentrierter Blick auf Europa in vormoderner Perspektive. Der moderne Historiker wird angeregt, sich insgesamt wieder stärker mit den akademischen Vorfahren zu beschäftigen, die mit ihren Themen und Fragestellungen oft überraschend aktuell sind. Sie können der Geschichtswissenschaft bis in die Gegenwart nicht nur immer noch frische Impulse liefern, sondern auch den Blick dafür schärfen, welche Forschungsinteressen sich tatsächlich über Jahrhunderte hinweg durchgehalten haben. Dieser Mehrwert, der sich aus der Zusammenstellung von Espenhorsts Artikeln zur Zweitpublikation ergibt, hätte allerdings durch eine Überarbeitung und redaktionelle Bearbeitung, an Profil gewinnen können. So sind einige Beiträge nicht auf dem aktuellen Forschungsstand, andere sind ohne Anmerkungen. Auch ein Register, das die Synthese der Einzelartikel noch deutlicher gemacht hätte, fehlt.
Anuschka Tischer