Bertram Triebel: Die Partei und die Hochschule. Eine Geschichte der SED an der Bergakademie Freiberg (= Freiberger Forschungen zur Wissenschafts- und Technikgeschichte; Bd. 1), Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2015, 277 S., ISBN 978-3-86583-951-0, EUR 33,00
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Bertram Triebels Dissertation entstand am Graduiertenkolleg in Freiberg, das 2009 ins Leben gerufen wurde, um die Geschichte der Bergakademie zu erforschen, die 2015 ihr 250. Jubiläum feierte. Universitäts- und Hochschulgeschichtsschreibung hatte in den vergangenen zwanzig Jahren Konjunktur. Die Wandlungen, die die Einrichtungen in der DDR durchliefen, wurden gründlich untersucht, vor allem im Rahmen anstehender Jubiläen. Der Autor konnte deswegen sowohl auf einen großen Fundus von Spezialstudien als auch auf einige Vergleichsarbeiten zurückgreifen, die zumeist die Zeit bis zum Bau der Mauer behandelten. Auf die Staatspartei selbst hatten nur wenige den Fokus gelegt, wenngleich die Rolle der SED an den ostdeutschen Hochschulen durchaus thematisiert wurde.
Triebel baut seine Arbeit sowohl chronologisch als auch systematisch auf. Seine zwei großen Hauptkapitel werden durch den Einschnitt, den die dritte Hochschulreform in den Jahren 1968/69 mit sich brachte, getrennt. Er beschreibt die schwierige Phase der Etablierung der SED an der Hochschule, anschließend den Umgang mit der Normalität der Macht an der Bergakademie. Der Autor setzt thematische Schwerpunkte und versucht, systematische Besonderheiten im Parteiapparat und im gesellschaftlichen Wirken der Partei herauszuarbeiten und damit ein bloßes Aufreihen der Ereignisse zu verhindern. Seine Studie ist sehr quellengesättigt; Triebel schöpft sowohl aus der Überlieferung des Parteiapparats als auch aus dem Universitätsarchiv und hat zahlreiche Zeitzeugen interviewt, die er im Laufe der Studie immer wieder ausführlich zu Wort kommen lässt - darunter auch diverse Funktionäre der SED.
Das erste Hauptkapitel profitiert von einer dichten Beschreibung, in der verschiedenste Konflikte an der Bergakademie dargestellt werden. Triebel analysiert die Professionalisierung der Staatspartei - vom ehrenamtlichen hin zum gut ausgebildeten hauptamtlichen Funktionär - und ihren politischen Einfluss bis zur Degradierung, Repression und Verfolgung von Wissenschaftlern und Studenten aus politischen Gründen. Im zweiten Teil untersucht er die Tätigkeit der SED an der Bergakademie, die unterschiedlichen Mobilisierungsversuche in der Partei, beim wissenschaftlichen Personal und bei den Studenten sowie die Abkehr vom System, beispielsweise durch Republikfluchten oder politische Verfolgung. Nach der "Normalisierung der Macht" in den 1980er Jahren, in der weder die Hochschulangestellten noch die Studierenden aufbegehrten, geht es um die Revolution von 1989/90, der sich erst ganz am Schluss auch die Angehörigen der Bergakademie anschlossen, ohne dass die SED darauf reagieren konnte.
Obwohl die Aufgaben der SED-Funktionäre aller Ebenen beleuchtet werden, bleibt ihre repressive Funktion, ihre Aufgabe auch als politische Scharfmacher häufig unbeschrieben. Sie werden für die 1970er und 1980er Jahre als Kümmerer gezeichnet, teilweise hilflos gegenüber den Anordnungen "von oben", aber zu wenig als langer Arm und Erfüllungsgehilfen der Politik. Ausführlich thematisiert Triebel die Gründe für den Eintritt in die SED, die das gesamte Spektrum zwischen Opportunismus, Karrierestreben und politischer Überzeugung abdecken. Eine abgelehnte Werbung für die SED konnte sich als Karrierehindernis erweisen, nichtsdestotrotz entwickelte sich der merkwürdige Umstand, dass vor allem aus dem akademischen Milieu "Eintrittswillige" zurückgewiesen werden mussten, weil sonst die geforderte Quote von SED-Mitgliedern aus der Arbeiterschaft gegenüber dem Anteil aus der Intelligenz nicht zu halten gewesen wäre. Neuere Ansätze, die Partei von ihrer Basis her zu beschreiben, die SED als eigenen Organismus zu untersuchen, zu fragen, wie sie als Milieu funktionierte und welche Parteikultur existierte, werden komplett ausgeblendet. Hier wäre eine tiefgreifendere Untersuchung zur SED und ihren Mitgliedern, ihrer Struktur und dem Alltagshandeln wünschenswert gewesen.
Obwohl Triebel in seiner Einleitung zeigt, dass er den Forschungsstand wahrgenommen hat, ordnet er seine Ergebnisse zu keiner Zeit entsprechend ein. Seine Quellenstudie existiert quasi losgelöst von der restlichen Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte. Er kann somit auch nicht zeigen, inwieweit seine Ergebnisse den Untersuchungen an anderen Hochschulstandorten gleichen, welche neuen Erkenntnisse aus seiner Arbeit erwachsen. Zugleich bleibt die Frage offen, inwieweit diese Beobachtungen typisch oder untypisch für die Bergakademie sind, welche Besonderheiten auf das eigenständige Agieren bestimmter Funktionäre zurückgingen und ob sich die Betriebsparteiorganisation ähnlich wie die anderer Hochschulen entwickelte. Obwohl Repression und abweichendes Verhalten in der Partei und bei anderen Angehörigen der Bergakademie dargestellt werden, fehlt doch eine systematische Untersuchung der Zusammenarbeit der SED mit der Staatssicherheit. Sicher wäre dies eine deutliche Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes gewesen, aber es hätte sich angeboten, deren Verhältnis wenigstens zu problematisieren, den Einfluss sowohl der SED auf die Ermittlungs- und Überwachungstätigkeit der Staatssicherheit als auch deren Einwirken auf den Parteiapparat zu hinterfragen. Gleiches gilt für Schnittstellen beider Institutionen, wie zum Beispiel den Sicherheitsbeauftragten, der nur an einer Stelle im Buch erwähnt und dessen Funktion nicht weiter thematisiert wird.
Letztendlich ergibt sich ein ambivalenter Eindruck der Arbeit. Verdienstvoll bleibt, dass der Fokus auf die SED als Akteur an der Bergakademie gerichtet wurde. Leider kann die Studie nicht in allen Teilen überzeugen. Sie hätte die Chancen nutzen können, die sich durch die umfangreichen Vorarbeiten ergeben haben, um das Thema stärker in den wissenschafts- und universitätsgeschichtlichen Kontext einzuordnen, die Partei als vielseitigen Akteur zwischen Alltag und Repression zu charakterisieren, der von den Entscheidungen ihrer Führung abhängig war, aber in seinem speziellen Tätigkeitsfeld als Organisator und Vermittler zwischen Bürokratie und Wissenschaft funktionieren musste.
Anita Krätzner-Ebert