Julia Genz / Paul Gévaudan: Medialität, Materialität, Kodierung. Grundzüge einer allgemeinen Theorie der Medien (= Edition Medienwissenschaft), Bielefeld: transcript 2016, 236 S., 47 Abb., ISBN 978-3-8376-3600-0, EUR 29,99
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Medientheoretische Perspektiven innerhalb akademischer Diskurse sind mindestens so zahlreich wie diejenigen akademischen Disziplinen, sie sich teils am Rande und teils ganz bewusst mit dem Problem des Medialen auseinandersetzen. Dabei ist kennzeichnend innerhalb dieser Disziplinen, dass jeweils diskursspezifische Schwerpunkte gelegt werden, seien es historische, medien- und kunstwissenschaftliche, sprach- und kommunikationstheoretische oder philosophische Aspekte. Es besteht demnach ein nicht zu unterschätzender Bedarf nach Systematisierung, Strukturierung und Ableitung einer kohärenten Medientheorie oder zumindest in sich schlüssigen Elementen und Teilbereichen einer Metatheorie des Medialen.
Die Systematisierung einer solchen Medientheorie erfordert das Lokalisieren derjenigen rationalen Prinzipien, die aus dem Aspekt des Medialen selbst abgeleitet sind und nicht den Erwartungshaltungen anderer Disziplinen entspringen (vgl. 7). Es muss demnach möglich sein, das breite Feld des Medialen aus technischer, zeichentheoretischer, wahrnehmungsbezogener und rezeptionsorientierter Sicht zu untersuchen, um seine Elemente logisch aufeinander zu beziehen, wechselwirksame Dynamiken zu erfassen und Theorie mit empirischem Anspruch auszustatten: "Auf diese Weise werden die Konzeptionen verschiedener Ansätze geklärt und ihre Kompatibilität aufgezeigt. Damit kann der vorliegende Band auch als interdisziplinäres Grundlagen- und Nachschlagewerk genutzt werden, denn es stellt nicht nur eine Theorie, sondern vielmehr eine Metatheorie der Medialität dar" (15).
Die Autoren gliedern den vorliegenden Band in drei Hauptkapitel, welche sich an den ausführlich formulierten Erfordernissen einer allgemeinen Medientheorie orientieren. Das erste Hauptkapitel thematisiert die Begriffslogik des Medialen und befasst sich dann mit der Semiose als Ereignisdynamik und differenziert in Orientierung an Saussure und Peirce Zeichen mit den Dynamiken des in actu, als unabhängiges Zeichen, und in posse, als eingebettet in kommunikative Prozesse. Abschließend entfallen Überlegungen auf die Prinzipien medialer Repräsentation und deren Variationen und Störungen sowie der Konstitution von Zeichen im Hinblick auf deren Kompositionalität.
Das zweite Hauptkapitel beschäftigt sich mit dem Konzept der medialen Materialität und deren zeichenlogischer und kommunikationsprägender Dynamik. Hierbei werden Begriffe wie Medium, Zeichen und Zeichenträger in den Blick genommen sowie immaterielle Zeichen und technische Kommunikation. Daran schließen sich Überlegungen zu den Arten der medialen Wahrnehmung an, die sich auf Linearität und Gleichzeitigkeit sowie auf multimediale Kommunikation beziehen. Abschließend widmen sich die Autoren der Vermittlung zwischen Produktion und Reproduktion und fokussieren das Verhältnis aus Performanz und performativen Akten, Transmedialität und technischen Dispositiven.
Das dritte und auch längste Hauptkapitel widmet sich dem Konzept der Kodierung von medialen Ereignissen. In der Auseinandersetzung mit Kodierungsarten führen die Autoren durch die Aspekte Motivation, Konvention, Ostentation und Prädikation, wobei hier ebenfalls Handlungsqualitäten der Kommunikation sowie mediale und kommunikative Einbindungen durch Zeichen thematisiert werden. Innerhalb der Beschäftigung mit Kodierungsgraden werden Intermedialität, Transkodierung und Reproduktion in den Blick genommen, wobei auch ökonomische und politische Aspekte sozialer Dispositive Erwähnung finden. Innerhalb von Konventionalität und Innovation gehen die Verfasser auf Zeichengrammatiken, Konventionen, kommunikative Traditionen und allgemeine Wertungsdiskurse ein und erläutern diese. Dieses Kapitel findet dann in der Bestimmung der Kontextualität und der näheren Auseinandersetzung mit Konventionalität und Unkonventionalität, Umkontextualisierung, Kontextintegration, Kontextprogression sowie Kontext- und Medialitätsverlust einen Abschluss.
Obwohl sich bereits eine Vielzahl an Disziplinen mit Medien und Prozessen der Medialität und Zeichenhaftigkeit befasst, gelingt dem vorliegenden Band dennoch ein äußerst systematischer Einblick in die bereits im Titel attestierte Beziehung von Medialität, Materialität und Kodierung. Da zudem die Argumentation anhand vielfältiger Medienbeispiele erfolgt und oftmals auf kohärente und präzise erarbeitete Schaubilder hinausläuft, und einige hiervon auf einer separat mitgelieferten Karte abgebildet sind, lässt sich eine empirische Dynamik und Anwendungsorientierung dieses Buches nicht absprechen. Es dürfte demnach Fachwissenschaftlern helfen, bestehende Konzepte und Modelle in neue argumentative Zusammenhänge einzubinden; Studierenden kann es einen unterstützenden Zugang zu den Begriffen und Konzepten der Medientheorie eröffnen.
Lars Grabbe