Carl Safina: Die Intelligenz der Tiere. Wie Tiere fühlen und denken, München: C.H.Beck 2017, 528 S., 23 Abb., 4 Kt., ISBN 978-3-406-70790-2, EUR 26,95
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Thomas M. Bohn / Aliaksandr Dalhouski / Markus Krzoska: Wisent-Wildnis und Welterbe. Geschichte des polnisch-weißrussischen Nationalparks von Białowieża, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2017
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Amir Zelinger: Menschen und Haustiere im Deutschen Kaiserreich. Eine Beziehungsgeschichte, Bielefeld: transcript 2018
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Das heute knapp zwei Jahre alte und knapp 500 kg schwere Elefantenmädchen Yang Niu aus der chinesischen Provinz Yunnan ist etwas Besonderes. Durch die virale Internetkultur des 21. Jahrhunderts schaffte es zur Jahreswende 2017/2018 ein Mem mit ihr zur weltweiten Berühmtheit für die sprichwörtlichen fünfzehn Minuten. Das gerade einmal 30 Sekunden lange Video zeigt, wie sie einen schlammigen Hang hinunterrutscht. [1] Offenkundig hat sie Spaß. Aber lässt sich das beweisen oder handelt es sich hier nur um eine menschliche Projektion? Die Geschichte könnte aus dem jüngsten Buch des bekannten amerikanischen Meeresbiologen Carl Safina stammen, der sich auf sehr anschauliche und zugleich wissenschaftlich fundierte Weise mit den Emotionen und Denkleistungen von Tieren beschäftigt. Er möchte nicht weniger herausfinden, als was in ihrem Inneren vorgeht. Entstanden ist ein Sachbuch im besten Sinn, das die Leserin/den Leser zu Elefanten in Kenia, Wölfen im Yellowstone-Nationalpark und zu Walen im Nordwestpazifik führt. Eingeschoben sind Erläuterungen zu Methoden der Tierbeobachtung und ihren Grenzen. Nicht zufällig erinnert der Stil an National Geographic-Beiträge und -Filme, mit denen der Autor populär wurde.
Im Mittelpunkt des Buches stehen emotionale Verhaltensweisen der Tiere, die der Verfasser mit vielen Beispielen zu untermauern sucht. Dies ist immer spannend zu lesen, wozu auch die gelungene Übersetzung beiträgt. Die Kapitel bauen zum Teil aufeinander auf, es behindert die Lektüre jedoch auch nicht, wenn man wie in einer Anthologie hin und her blättert.
Safina ist klar, dass er sich auf dünnem Eis bewegt, er steht jedoch dazu, nicht-menschliche Tiere durch die menschliche Brille betrachten und verstehen zu wollen, weil es letztlich keine andere Möglichkeit gebe. Damit eine Kernfrage der Human-Animal-Studies für sich beantwortend, macht er Ähnlichkeiten im Verhalten aus, ohne seine Objekte damit zu vermenschlichen. Er gesteht ein, dass er viele Verhaltensweisen ohne die Hilfe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die die Tiere oftmals viele Jahre lang beobachteten, nicht verstehen könnte. Letztlich möchte der Verfasser dann "nur Behauptungen aufstellen, die sich empirisch beweisen lassen und logisch sind" (23). Zur Untermauerung seiner Thesen streut er daher immer wieder Zahlen und Fakten aus anderen Arbeiten ein. Hier bewegt er sich freilich in den Bahnen der "klassischen" Naturwissenschaften mit ihrem Wunsch nach "objektiven" Fakten. Die Schwächen der teilnehmenden Beobachtung im Sinne der Heisenbergschen Unschärferelation oder der Luhmannschen Systemtheorie, wonach "das beobachtende System nur auf eigene und systemspezifische Weise die Umwelt beobachten [kann], thematisiert er nicht. [2] Der Autor stützt sich auch nicht immer auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse - die er nebenbei auch als "akademische Zänkereien" abtut -, etwa wenn er Pflanzen generell Empfindungsvermögen abspricht (36).
Selbst wenn eine derartige Monographie mit den beliebten Tierfilmen nicht mithalten kann, weil diesen, wie schon Bernhard Grzimek wusste, ein starkes Identifikationspotenzial innewohnt, so ist doch die Beschreibung einzelner Tierschicksale nicht nur spannend, sondern mitunter auch ergreifend. Wenn es um Geburt, Flucht, Freude, Angst und Tod von Individuen geht, die zudem noch Namen tragen, ist es durchaus möglich, sich in das vermeintliche Verhalten der Tiere hineinzuversetzen, selbst wenn die Frage nach deren tatsächlichem Fühlen letztlich doch offenbleiben muss. Zum Erkenntnisgewinn tragen auch Passagen bei, in denen der Autor den Blick umdreht und danach fragt, wie die Tiere eigentlich auf die menschliche Präsenz reagieren. Stellenweise können Abschnitte freilich leicht reißerisch werden, etwa der über das Sexualverhalten der Orcas (die Wiedergabe mit "Killerwal" ist doch etwas unglücklich) und Delphine, der trotz einer Kapitellänge von zehn, im Grunde nur eine Seite umfasst (374).
Letztlich geht es dem Verfasser auch bei Thesen wie der von der Existenz eines Bewusstseins bei Tieren - darüber, dass "sie genau wissen, wer sie und wer die anderen sind" (33) - gar nicht um Forschungspositionen. Das Einflechten diverser wissenschaftlicher Studien und Berichte dient lediglich der Untermauerung dessen, was ihm das Wichtigste ist: des gesunden Menschenverstandes. Daraus resultieren dann Erkenntnisse wie die von der Parallelität menschlicher und tierlicher Gefühle aufgrund der langen gemeinsamen biologischen Entwicklungsgeschichte. Dagegen kritisiert Safina all das, was er unter "Theory of Mind" zusammenfasst, also im weitesten Sinne die Frage, ob man wissen kann, dass Tiere Gedanken haben. Seine alltäglichen Beobachtungen bei seinen Haustieren hält er im Grunde jeder "künstlichen Laborsituation" für überlegen (299ff.). Man muss ihm freilich zugutehalten, dass er nicht dogmatisch argumentiert, sondern vor allem unseren Blick für die Mitgeschöpfe schärfen und ihre Positionen im globalen Zusammenleben stärken möchte. Hierin ist er vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Human-Animal-Studies sehr nah. Zwar interessieren ihn weniger die theoretischen Unterfütterungen einer Donna Haraway beim Betrachten ihrer Hunde oder die gesellschaftlichen Verflechtungen einer Margo DeMello und ihrer Hauskaninchen. [3] Er ist "seinen" Elefanten, Wölfen und Walen aber doch auf eine ähnliche Weise nah, indem er ihre Ästhetik, ihren sozialen Sinn und seine Liebe zu ihnen offen thematisiert. Weiterführende Fragen wie die nach dem Einfluss von Musik auf Tiere (254-257) werden auch in der neueren kulturwissenschaftlichen Forschung gestellt. [4]
Alles in allem liegt ein klassisches Sachbuch für eine breitere Leserschaft vor, das gleichwohl Fragen stellt, die unserem posthumanistischen Zeitalter inhärent sind. Ob Yang Niu nun den Hang hinabrutscht, weil es ihr Spaß macht, oder ob dafür andere Gründe vorliegen, werden wir nie erfahren, Safina liefert aber eine Reihe von Argumenten dafür, dass bei Tieren ähnliche Empfindungen vorliegen könnten wie bei Menschen.
Anmerkungen:
[1] https://www.youtube.de (abgerufen am 05.03.2018).
[2] Nach http://de.luhmann.wikia.com (abgerufen am 05.03.2018).
[3] Donna Haraway: Das Manifest für Gefährten, Berlin 2016. Und Margo DeMello: Becoming Rabbit. Living with and Knowing Rabbits, in: Spring: a journal of archetype and culture 83 (2010), 237-252.
[4] Etwa bei Martin Ullrich: Tiere und Musik, in: Tiere. Kulturwissenschaftliches Handbuch, hg. von Roland Borgards, Stuttgart 2016, 216-224.
Markus Krzoska