Cornelia Berger-Dittscheid: Fossanova. Architektur und Geschichte des ältesten Zisterzienserklosters in Mittelitalien. "Oratorium hoc sit quod dicitur ..." (= Römische Studien der Bibliotheca Hertziana; Bd. 41), München: Hirmer 2018, 568 S., ISBN 978-3-7774-3052-2, EUR 135,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.
Wolfgang Huschner / Ernst Münch / Cornelia Neustadt u.a. (Hgg.): Mecklenburgisches Klosterbuch. Handbuch der Klöster, Stifte, Kommenden und Prioreien, Rostock: Hinstorff 2016
Gabriele Dischinger (Bearb.): Ottobeuren. Bau- und Ausstattungsgeschichte der Klosteranlage 1672-1802, St. Ottilien: EOS Verlag 2011
Staatliche Schlösser und Gärten Baden Württemberg (Hg.): Kloster Heiligkreuztal. Geistliche Frauen im Mittelalter, Mainz: Nünnerich-Asmus Verlag & Media 2020
J. Nicholas Napoli: The Ethics of Ornament in Early Modern Naples. Fashioning the Certosa di San Martino, Aldershot: Ashgate 2015
Nick Holder: The Friaries of Medieval London. From Foundation to Dissolution, Woodbridge: Boydell Press 2017
Eine Beschäftigung mit den Zisterzienserabteien Casamari und Fossanova, beide am Südostrand des hochmittelalterlichen Kirchenstaates errichtet, lohnt mehr denn je. Dies gilt für ihre komplexe Baugeschichte und die damit einhergehenden Austauschprozesse mit den Mutterklöstern Clairvaux in Burgund beziehungsweise Hautecombe in Savoyen ebenso wie für ihre Mittlerstellung in das friderizianische Regnum Sicilie. Dort lagen etliche der Filiationen, dort bediente sich Friedrich II. für seine Bauten nachweislich zisterziensischer Konversen und Mönche (28). Casamari hatte über die Filiation S. Galgano eine prägende Rolle in der Toskana, insbesondere für den Sieneser Dom. Die Forschung der Nachkriegszeit (Wolfgang Krönig, Hanno Hahn, Renate Wagner-Rieger) neigte dazu, ausgehend von Einzelbeobachtungen weitgespannte kunstgeografische Bezüge zu konstruieren. Mehr denn je geht es jetzt um eine befundorientierte Forschung, die jüngere interdisziplinäre Ansätze einbezieht. Daher sind präzise Einzelstudien wie jene Cornelia Berger-Dittscheids über das Kloster Fossanova dringend vonnöten.
Das Werk ist klar gegliedert, was auch eine punktuelle Konsultation ermöglicht. Sorgfältig voneinander geschieden werden historisch, archäologisch (Vorgängerbauten), bau- und formengeschichtlich wie stilistisch argumentierende Kapitel. Im Umgang mit dem Befund ist die Perspektive deutlich auf die Kirche gerichtet, doch erfolgen in den Kapiteln 2 und insbesondere 10 wichtige Analysen zu den weiteren Bauten des Klosters.
Drei der erhaltenen Kreuzgangflügel und die ältesten Abschnitte des Mönchshauses sind der Verfasserin zufolge wohl vorzisterziensisch und aus stilistischen Gründen zwischen 1090 und 1135 anzusetzen. Denkbar wäre auch eine Entstehung im Kontext der Übernahme der Anlage durch die Zisterzienser im Jahr 1135 (49, 56). Zielsetzungen der Neubesiedlung Fossanovas waren "die Stärkung der Position Papst Innozenz' II., die Einführung der Kirchenreform und langfristig die Ausbreitung der Zisterzienser in Süditalien" (242). Aus archivalischen Quellen ergibt sich zwischen 1198 und 1208 eine finanzielle Unterstützung Papst Innozenz III. für den Weiterbau der 1171/72 begonnenen Kirche und die Klausurbauten, jedoch keine enge Beziehung der staufischen Herrscher Süditaliens zur Abtei (90, 92). Als Innozenz III. 1208 den Hauptaltar weihte, sei die Kirche im Bereich der Chormönche (Altarräume, Querhaus und Ostjoch des Langhauses) fertiggestellt gewesen. Wie die Befunduntersuchungen ergeben, war die Kirche zunächst niedriger und lediglich mit sechs Mittelschiffsjochen geplant, wobei die Verfasserin die anfänglich zutage tretenden Unsicherheiten und Planwechsel mit einem erheblichen Anteil lokaler Kräfte begründet. Hier hätte eine Kartierung von Steinmetzzeichen aufschlussreich sein können.
Eine zweite Bauetappe habe sich von 1208 bis circa 1217/18 erstreckt (103). In diesem Zeitraum habe man zunächst die Ostteile der Kirche erhöht und für den Konversenchor die zweit-, dritt- und viertöstlichen Langhausjoche errichtet, nach einer deutlich ablesbaren Zäsur (Baunaht, Spuren einer provisorischen Trennwand im Dachstuhlbereich) die drei westlichen Langhausjoche und die Vorhalle aufgeführt sowie die bereits begonnene Westfassade einschließlich des großformatigen Rosenfensters fertiggestellt. Insgesamt gesehen ist dies ein ungewöhnlich großes Volumen für eine gerade zehn Jahre währende zweite Bauetappe, zumal die Anlage des Vierungsturmes ebenfalls noch vor der Einwölbung der Langhausjoche erfolgt sein dürfte. Weniger die sorgfältig beobachtete Bauabfolge als das Bauende lässt Fragen offen. Berger-Dittscheid sieht den Bauabschluss der Kirchen von Fossanova und Casamari annähernd zeitparallel um 1217 (118). Demnach sind während der zweiten Bauetappe von Fossanova gestalterische Initiativen Kaiser Friedrichs II. wie auch ein Austausch mit den Kastellbauhütten im spätstaufischen Süditalien auszuschließen; die dortigen Castra und Domus entstanden großteils deutlich nach 1220.
Fossanova sei im Innenraum der Kirche geprägt von einem "nordburgundisch-zisterziensischen Stil" (246), auch hätten in beiden Bauetappen französische Künstler wesentliche Impulse bei der Bauskulptur gegeben (184). Lediglich die Modernisierung des Kapitelsaales, den südlichen Kreuzgangflügel und das Brunnenhaus könne man zwischen 1220/30 und 1250 ansetzen. Bei der Analyse der dortigen Architektur und Bauskulptur zieht Berger-Dittscheid wohltuend vorsichtig insbesondere die mittel- und süditalienische Tradition zum Vergleich heran (226).
Weitere Einzelkapitel bieten eine Behandlung charakteristischer Einzelelemente wie der "bernhardinischen" Chordisposition, des für die Ordensarchitektur sehr ungewöhnlichen markanten Vierungsturms, der Langhauspfeiler und der Westfassade. Kapitel 7 handelt von Versatztechnik, Typologie, relativer Chronologie und kunsthistorischer Stellung der Langhauskapitelle (168). In Kapitel 9 finden sich Angaben zur Ausmalung der Klosterkirche: Im Sanktuarium und im Querhaus haben sich aus der Zeit vor dem Trecento helle Brauntöne mit weißen Fugenstrichen erhalten, im Langhaus eine bauzeitliche weiße Grundierung mit roten Fugen (202). Bemerkenswert spät im Band werden die für die architektonische Disposition bedeutsamen liturgischen Orte - Altäre, Chorschranke, Gestühle - vorgestellt. Die Schranke und der Kreuzaltar befanden sich am Ostende des dritten Mittelschiffsjochs von Osten; durchaus selten, haben sich westlich davon Spuren des Konversengestühls erhalten (209f.). Den Abschluss der Arbeit bildet der bestens dokumentierte Überblick über die sechs Filiationen Fossanovas (232).
Der Band besticht durch ein sorgfältiges Lektorat, ein ruhiges Layout und durchgängig gute Reproduktionen. Die Ergebnisse der Bauuntersuchungen hätte man sich nicht nur durch farbig angelegte Teilgrundrisse und Tabellen (266, 518), sondern auch durch Isometrien visualisiert gewünscht. Hervorzuheben sind der umfangreiche und instruktive Quellenanhang (455) sowie ein Corpus der Bauskulptur (427). Obwohl im Band auch die Bauzier des Kapitelsaales und des Kreuzganges besprochen wird, bleibt dieser "Kapitellkatalog" auf den Innenraum der Klosterkirche beschränkt. Dies ist eine deutliche Engführung, die durch eine parallel angelegte Datenbank problemlos zu beheben gewesen wäre. Generell ist eine überzeugende "Verlinkung" solcher Großmonografien in die zunehmend digital agierende Forschungscommunity wünschenswert.
Berger-Dittscheids Fossanova-Monografie ist ein über Jahrzehnte entwickeltes, lange vermisstes Opus Magnum. Es handelt sich um ein historisch, befundorientiert und stilistisch argumentierendes, gut dokumentiertes und in der Kontextualisierung europaweit perspektiviertes Standardwerk. Den Darlegungen zur Länge der zweiten Bauetappe der Abteikirche ist Einspruch gewiss. Desiderate bleiben ein steingerechtes Wandaufmaß wie auch ein Corpus des vollständigen Skulpturenbestandes Fossanovas. Für die Erforschung der Zisterzienserbaukunst Mittel- und Süditaliens liegt nunmehr ein unentbehrliches Referenzwerk vor.
Kai Kappel