Brett Edward Whalen: The Two Powers. The Papacy, the Empire, and the Struggle for Sovereignty in the Thirteenth Century (= The Middle Ages Series), Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press 2019, X + 312 S., 2 Kt., 6 s/w-Abb., ISBN 978-0-8122-5086-2, USD 85,00
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Martin Wihoda: Die sizilianischen Goldenen Bullen von 1212. Kaiser Friedrichs II. Privilegien für die Přemysliden im Erinnerungsdiksurs. Übersetzt von Jiři Knap, Wien: Böhlau 2012
Delle Donne Fulvio: Federico II. La condanna della memoria. Metamorfosi di un mito, Roma: Viella 2012
Manuel Kamenzin: Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349), Ostfildern: Thorbecke 2020
Constant J. Mews / Anna Welch (eds.): Poverty and Devotion in Mendicant Cultures, 1200-1450, London / New York: Routledge 2016
Benjamin Schönfeld: Die Urkunden der Gegenpäpste. Zur Normierung der römischen Kanzleigewohnheiten im 11. und beginnenden 12. Jahrhundert, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2018
Antonella Ghignoli / Sebastian Roebert / Cornelia Neustadt et. al. (Hgg.): Von der Ostsee zum Mittelmeer. Forschungen zur Mittelalterlichen Geschichte für Wolfgang Huschner. Dal Mar Baltico al Mediterraneo. Ricerche di storia medievale per Wolfgang Huschner, Leipzig: Eudora-Verlag 2019
Warum sollte man ein neues Buch über Friedrich II. und die Päpste seiner Zeit verfassen? In Anbetracht der Fülle an Publikationen zu diesem Thema hat sich der Rezensent diese Frage gestellt, als ihn die Anfrage erreichte, die Überblicksdarstellung The Two Powers: The Papacy, the Empire, and the Struggle for Sovereignty aus der Feder des US-amerikanischen Historikers Brett E. Whalen zu besprechen. Eine mögliche Antwort darauf liefert die Einleitung des Bandes, in welcher es heißt, Friedrich II. sei von der Geschichtsforschung allzu oft als ein aufgeklärter, weitsichtiger, ja sogar moderner Mensch stilisiert worden, während seinen Kontrahenten auf dem Stuhl Petri, vor allem Gregor IX. und Innozenz IV., die Rolle der rückwärtsgewandten, intoleranten und "mittelalterlichen" Gegenspieler zugekommen sei (2 f.). Erklärtes Ziel des Buches sei deshalb, gegen dieses Narrativ zu steuern und eine Geschichte des Konfliktes zwischen den Staufern und den Päpsten unter besonderer Berücksichtigung der Kommunikationspraktiken und der medialen Performativität der Mittel und Instrumente vorzulegen, welche von beiden Parteien eingesetzt wurden, um die Öffentlichkeit von der Gültigkeit der eigenen Sache zu überzeugen (3 f.). Gerade durch die Thematisierung der Rolle von Urhebern, Auftraggebern und Adressaten von päpstlichen und kaiserlichen Kommunikationsakten verspricht sich der Autor "to restore a sense of contingency to the history of the thirteenth-century struggle between the papacy and the empire" (3). Die Auseinandersetzung zwischen den Päpsten und den staufischen Herrschern aus diesem Blickwinkel zu betrachten, soll abschließend ermöglichen, die Rolle der Öffentlichkeit bei der Eskalation des Konfliktes angemessen einzuschätzen (4-7).
Diesem ambitionierten Vorhaben zum Trotz bieten die acht Kapitel des Buches keine theoretische Erörterung der Frage, was Kommunikation, Propaganda und Öffentlichkeit im 13. Jahrhundert ausmachte oder wie Übermittlung von Wissen und Informationen auf der höchsten politischen Ebene zu dieser Zeit funktionierte. Vielmehr besteht die Studie aus einer extrem ausführlichen ereignisgeschichtlichen Rekonstruktion der Beziehungen zwischen Friedrich II. einerseits und Gregor IX. und Innozenz IV. andererseits, in welcher Stellung und Bedeutung der public sphere in besonderem Maße gewürdigt werden. So schildert das erste Kapitel die Ereignisse der Jahre 1227 bis 1230, wobei der Bekanntmachung der ersten Exkommunikation des Kaisers und der des Friedens von San Germano große Aufmerksamkeit geschenkt werden (19-44).
Kapitel 2 behandelt die Phase der Zusammenarbeit zwischen Friedrich II. und Gregor IX. (1230-1235), zu deren wichtigsten Ereignissen der Kampf zwischen dem Papst und den Römern, der Aufenthalt des Staufers nördlich der Alpen und die Halleluja-Bewegung zählen (45-70).
Das dritte Kapitel spannt den Bogen von der Hochzeit Friedrichs mit Isabelle von England bis zur Eskalation des Kampfes zwischen dem Kaiser und seinen oberitalienischen Gegnern (1235-1238) (71-95). Die turbulenten letzten Pontifikatsjahre Gregors IX. und die darauffolgende Sedisvakanz stehen im Mittelpunkt des vierten Kapitels und des anschließenden Intermezzos (96-128). Der fünfte Abschnitt skizziert den Beginn des Pontifikats Innozenz' IV. als a new hope und eine kurze Phase der Friedenssuche (131-153).
Die Kapitel 6 und 7 behandeln das Konzil von Lyon und die publizistischen und militärischen Kämpfe nördlich und südlich der Alpen bis zum Tod Friedrichs II. im Dezember 1250 (154-177, 178-201). Im achten Kapitel geht es um die triumphale Rückkehr der Kurie nach Italien sowie um die Konsequenzen des langwierigen Streites (202-228). In einem abschließenden Epilog wird die Frage nach der historischen Bedeutung des epochemachenden Konfliktes zwischen regnum und sacerdotium für die Geschichte des Abendlandes aufgeworfen (229-236). Abkürzungsverzeichnis (237-239), Anmerkungsapparat (241-281), Quellen- und Literaturverzeichnis (283-289) und ein Personen-, Orts- und Sachregister (301-310) schließen den Band ab.
Die Botschaft des Buches könnte man folgendermaßen resümieren: Dass das Verhältnis zwischen Friedrich II. und den Päpsten seiner Zeit sich zu einem gewaltigen Konflikt entwickeln würde, sei nicht nur 1227, sondern auch etwa 1233 oder 1245 alles andere als selbstverständlich gewesen. Immer wieder habe es vor allem von päpstlicher Seite ernsthafte Versuche gegeben, zu einem friedlichen und nachhaltigen Kompromiss zu kommen; doch kontingente Faktoren - allen voran der Druck von Lombarden und sonstigen politischen Akteuren - hätten letztlich für eine Eskalation gesorgt. Während des Konfliktes seien die Bemühungen der Päpste dementsprechend nicht nur auf die Erlangung des Sieges gegen den Staufer, sondern auch auf eine Rechtfertigung ihres Handelns vor einer zunehmend kritischen Öffentlichkeit gerichtet gewesen. Der publizistische Kampf habe die Auseinandersetzung noch dramatischer und heftiger abgebildet als sie in Wirklichkeit war - dieser Umstand sei von der Geschichtsforschung zu wenig berücksichtigt worden.
Der Ansatz der Studie ist prinzipiell zu begrüßen, denn er bewahrt vor einer teleologischen Sichtweise, welche von einer von Anfang an auf die Vernichtung des Stauferreiches gerichteten Politik der Päpste ausgeht und die Eskalation des Konfliktes letztlich als unausweichlich ansieht. Doch bringt dieses Vorgehen zwei Risiken mit sich, die in der Untersuchung möglicherweise unterschätzt werden:
1) Genauso wie die aggressive Politik der Kurie in den Jahren 1239-1243 oder 1245-1250 nicht allein auf ein kriegerisches Vorhaben der Päpste zurückgeführt werden kann und dabei mehrere kontingente Faktoren berücksichtigt werden müssen, spielten auch "Umstände" in den Phasen der Kooperation zwischen Friedrich II. und Gregor IX. oder Innozenz IV. eine wesentliche Rolle, ohne dass man von einer Friedenspolitik oder kooperativen Haltung der einen oder anderen Partei ausgehen kann;
2) Die starke Hervorhebung der Kontingenzen kann außerdem darüber hinwegtäuschen, wie gewichtig bei einer Institution wie dem mittelalterlichen Papsttum das Wissen - man könnte mit einigen Vorbehalten auch vom Selbstverständnis reden - über die eigene Stellung in der Kirche und der societas christiana war. Dieses Wissen, das in herkömmlichen kanonistischen, administrativen, liturgischen und historiographischen Werken festgehalten wurde, begrenzte notwendigerweise die Handlungsspielräume der jeweils regierenden Päpste. Ungestörte Herrschaftsausübung in Rom und dem Patrimonium und Verteidigung der libertas ecclesiae im Regnum Siciliae gegen die Ansprüche der Könige auf die Besetzung von Bistümern und Abteien waren in der gesamten Zeit der Auseinandersetzung mit Friedrich II. und darüber hinaus leitende Grundsätze papaler Politik, über welche sich die Päpste einfach nicht hinweg setzen konnten. Eben die geringe Thematisierung von "strukturellen" Aspekten, die sicherlich durch den genannten anti-teleologischen Ansatz bestimmt ist, erscheint aber leider nicht immer zielführend.
Dies ist allerdings nicht der einzige Aspekt des Buches, der hier als problematisch zu bewerten ist. Auch die mangelnde Heranziehung von relevanten Forschungsarbeiten der letzten 30 Jahren und überhaupt die fehlende Erwähnung von jüngeren historiographischen Tendenzen sind als Defizite zu betrachten. Von einer Überblicksdarstellung kann man zwar nicht die analytische Herangehensweise einer monographischen Studie erwarten. Doch die Erörterung oder zumindest die Nennung von Grundproblemen der Forschung sollten dazu gehören. Im vorliegenden Band fehlt hingegen leider jeder Hinweis auf wichtige jüngere Synthesen zu Friedrich II. - etwa von Hubert Houben und Wolfgang Stürner -, auf die 2017 herausgegebene Innsbrucker Briefsammlung, auf die Diplomata-Bände der MGH, auf die 2018 erschienene kritische Edition der Vita Gregorii IX. von Alberto Spataro, auf die Studien von Fulvio Delle Donne zu Petrus Vinea sowie auf Forschungsdebatten zu Begriffen wie Öffentlichkeit, politischer und symbolischer Kommunikation, fürstlichen und kirchlichen Netzwerken oder auch Propaganda. Wichtige Historiker des Papsttums im 13. Jahrhundert wie Agostino Paravicini Bagliani und Bernhard Schimmelpfennig kommen im Literaturverzeichnis kein einziges Mal vor. Die genannten Mängel machen aus einem stilistisch gut geschriebenen, sehr informativen und vom methodischen Anspruch her ambitionierten Buch eine verpasste Gelegenheit - leider.
Étienne Doublier