Rezension über:

Julie Farguson: Visualising Protestant Monarchy. Ceremony, Art and Politics after the Glorious Revolution (1689-1714) (= Studies in Early Modern Cultural, Political and Social History), Woodbridge: Boydell Press 2021, XVIII + 380 S., 100 Abb., ISBN 978-1-78327-544-1, GBP 75,00
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Rezension von:
Heiko Laß
Institut für Kunstgeschichte, Ludwig-Maximilians-Universität München
Redaktionelle Betreuung:
Bettina Braun
Empfohlene Zitierweise:
Heiko Laß: Rezension von: Julie Farguson: Visualising Protestant Monarchy. Ceremony, Art and Politics after the Glorious Revolution (1689-1714), Woodbridge: Boydell Press 2021, in: sehepunkte 22 (2022), Nr. 2 [15.02.2022], URL: https://www.sehepunkte.de
/2022/02/36061.html


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Julie Farguson: Visualising Protestant Monarchy

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Im Mittelpunkt der Untersuchung von Julie Farguson steht die öffentliche Sichtbarmachung der englischen bzw. britischen Königinnen und Könige Wilhelm III., Maria II. und Anna, die das Land von 1689 bis 1714 regierten. Der Beginn der Herrschaft von Wilhelm und Maria war von dem Umstand überschattet, dass sie als Usurpator bzw. Usurpatorin ihren Schwiegervater bzw. Vater Jakob II. vertrieben hatten. Das Parlament entschied über die Rechtmäßigkeit ihrer Herrschaft. Das Paar wurde gemeinsam gekrönt und regierte in einer Art Arbeitsteilung. Den Sommer über war Wilhelm auf dem Kontinent, wo er Statthalter der Niederlande war und meist auch aktiv Kriegszüge gegen Frankreich führte. Auf der Insel übernahm in dieser Zeit Maria die Regierungsgeschäfte. Auch während der Regierungszeit Annas befand sich England fast durchgängig im Krieg. Weder Wilhelm und Maria noch Anna hatten Erben. So besaß Wilhelms Herrschaft nach dem Tod von Maria 1694 keine dynastische Legitimation mehr. Hinzu kam, dass der vertriebene Jakob II. bzw. sein Sohn den Thron nach wie vor beanspruchten. Und nahezu die gesamte Zeit wurden sie auch von anderen Mächten wie etwa Frankreich als legitime Herrscher anerkannt. Wilhelm III., Maria II. und Anna hatten also mit zwei gleichen Problemen zu kämpfen: fehlende Erben und angezweifelte Herrschaftslegitimation. Die Loyalität der Engländer und die Unterstützung des Parlaments waren somit für ihre Herrschaftsausübung entscheidend und mussten deshalb gesichert werden. Darum war das Bild, das die heimische Öffentlichkeit von ihren Monarchinnen und Monarchen hatte, besonders wichtig.

Farguson hat ihre Darstellung in sechs Abschnitte sowie Einleitung und Zusammenfassung gegliedert. Die Kapitel folgen eng dem Verlauf der Geschichte. Vom Prinzip her sind sie alle gleich aufgebaut. Am Anfang steht die detaillierte Schilderung der historischen Ereignisse. Anschließend wird aufgezeigt, welche Maßnahmen die Königinnen und der König zur Sichtbarmachung ihrer Person und Herrschaft ergriffen. Die bildliche Verankerung und positive Wahrnehmung der neuen Monarchie in der Öffentlichkeit war entscheidend für deren Gelingen. Dies erfolgte durch eine Vielzahl an Zeremonien und durch Künste, die besonders von den Herrscherinnen und dem Herrscher forciert wurden.

Vor allem drei Aspekte stehen dabei immer im Mittelpunkt: 1) das Auftreten in der Öffentlichkeit - etwa bei Um- und Einzügen und im Parlament, vor allem aber beim Gottesdienst -, 2) das Staatsporträt und die Verbreitung des royalen Images mittels Druckgrafik sowie 3) die Medaillen. In Einzelfällen bezieht Farguson zudem auch die Architektur und deren Ausstattung mit ein. Die wichtigsten Aspekte seien mit Blick auf die Kernthesen Fargusons kurz zusammengefasst.

Für Wilhelm III., Maria II. und Anna war es wichtig, sich vom Hof der letzten Stuarts abzugrenzen. Dies geschah etwa durch das öffentliche Praktizieren des anglikanischen Kultus in der Palastkapelle oder beim Erntedankgottesdienst in der St. Pauls Kathedrale. Ein Rückzug auf das Land, wie ihn Wilhelm III. bevorzugte, war da eher kontraproduktiv. Die Staatsporträts stellten die Königinnen und den König im Gegensatz zu den vorangehenden Stuarts im Krönungsornat dar und nicht in der Tracht des Hosenbandordens. Sie knüpften mit dieser Darstellungsweise an die Zeit vor den Bürgerkriegen an. Im Laufe der betrachteten 25 Jahre wurde die Monarchie zunehmend nationaler. Das Land gehörte beginnend mit der Bill of Rights 1689 nicht mehr dem Monarchen, aber der Monarch zunehmend dem Land. Das Königtum wurde vor allem von Anna bewusst nationalisiert, und so sagte die Königin "I know my own heart to be entirely English." (191) Die Monarchie wurde zudem in den vielen Kriegen kulturell militarisiert. Wilhelm III. nahm aktiv am Krieg teil (das war zuvor auf der Insel nicht üblich) und die Königinnen und Könige ließen sich als erfolgreiche Kriegsherren und -frauen medial darstellen. Alle diese Maßnahmen führten dazu, dass die Monarchie zur Verkörperung des Landes wurde, König und Königin den Staat visualisierten und ihre Handlungen als stellvertretend für alle verstanden wurden.

Was zeichnet Fargusons Arbeit aus? Sie nimmt eine in der Forschung bisher nicht durchgeführte enge Verknüpfung von historischen Ereignissen und Sichtbarmachung der Monarchie vor. Im Mittelpunkt des Buches steht die im Titel genannte Sichtbarmachung der Monarchie. Es geht ihr um die Inszenierung des britischen Königtums gegenüber den Untertanen. Dementsprechend werden breitenwirksame Beispiele genannt. Adressat der Bemühungen ist die Öffentlichkeit, was in England in jener Zeit eben die Untertanen meint und nicht die höfisch-adelige Welt.

Durch diese neue Sichtweise lenkt Farguson erstmals den Blick auf die politische Funktion von Künsten und Zeremonien in Bezug auf eine breite Öffentlichkeit außerhalb des Hofes. Sie grenzt sich damit von Arbeiten ab, die das Leben bei Hofe oder die Selbstdarstellung des Monarchen zum Inhalt haben, wie sie beispielsweise zu Ludwig XIV. häufig erschienen sind. Die Fokussierung auf öffentliche Zeremonien, die Kleidung und die königlichen Insignien sowie mediale Berichte, Medaillen und Grafik ist sinnvoll und zielführend. Es wird absolut klar und deutlich, wie die Monarchinnen und Monarchen auf spezifische Situationen - wie etwa ihre Usurpation oder einen militärischen Sieg - reagierten, wie die Öffentlichkeit darauf einging und wie die Handlungen aufgenommen wurden. In dieser Prägnanz ist das bislang nicht dargestellt worden.

Die weitgehende Fokussierung auf die Insel führt aber dazu, dass die beschriebenen Phänomene nicht in einen internationalen Kontext gestellt werden. Das ist nicht Inhalt der Arbeit und Farguson daher auch nicht zum Vorwurf zu machen - das Buch ist umfangreich genug. Es bedeutet aber, dass Vergleiche und Vorbilder fast ausschließlich aus der englischen Geschichte herangezogen werden. Doch gab es beispielsweise neben Elisabeth I. auch andere gekrönte Königinnen in Europa (etwa Christina von Schweden, aber auch Hedwig Elenora, die Gemahlin ihres Nachfolgers), die bildlich mit Krone und Zepter dargestellt wurden und Maria II. und Anna zeitlich bei weitem näher standen als Elisabeth I. Auch sie könnten daher Vorbilder für ihre bildlichen Darstellungen gewesen sein.

Abschließend lässt sich zusammenfassend festhalten: Das Zusammensehen von historischen Ereignissen und die Reaktion auf diese durch die Monarchinnen und Monarchen mittels zeremonieller Handlungen und Kunstwerken ist für das Fach Geschichte in dieser Stringenz ein Novum. Im Zentrum der Arbeit steht dabei viel mehr als nur die öffentliche "visuelle Kultur der Monarchie." (5) Farguson verknüpft Materielle Kultur, Zeremonialwissenschaft und politische Geschichte erstmals konsequent miteinander. Dabei bewertet sie die Handlungen nicht, sie erzählt und beschreibt. Nur selten wird erläutert, ob die Strategien auch funktioniert haben. Der tatsächliche Erfolg dieser Strategien wird über die politischen Folgen und ihr Fortbestehen bis in die Gegenwart verdeutlicht. Das britische Königshaus orientiert sich nach wie vor an den damals etablierten Normen.

Selbstverständlich ist das Buch eine Darstellung der englischen Monarchie in Zeiten des Umbruchs, in denen ein Wechsel vom Gottesgnadentum hin zur verfassungsbegründeten Monarchie stattfand. Es ist aber viel mehr: Farguson hat eine beispielhafte Untersuchung für das Auftreten von Monarchinnen und Monarchen in der Öffentlichkeit und ihre gezielte Imageproduktion geschrieben.

Heiko Laß