Robert Parker: Religion in Roman Phrygia. From Polytheism to Christianity, Oakland: University of California Press 2023, X + 255 S., 10 s/w-Abb., ISBN 978-0-520-39548-0, GBP 95,00
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Peter Derow / Robert Parker (eds.): Herodotus and his World. Essays from a Conference in Memory of George Forrest, Oxford: Oxford University Press 2003
Beate Dignas / Robert Parker / Guy G. Stroumsa (eds.): Priests and Prophets among Pagans, Jews and Christians, Leuven: Peeters 2013
Robert Parker: On Greek Religion, Ithaca / London: Cornell University Press 2011
Das Buch "Religion in Roman Phrygia" befasst sich mit einer Region, die in den klassischen Quellen oft als ein abgelegener Winkel des Römischen Reiches angesehen wird: Phrygien. In den letzten Jahrzehnten hat Phrygien eine gewisse Popularität in der Forschung erfahren, wie mehrere Sammelbände und Monographien zeigen, die sich mit der Kultur und Geschichte dieses Gebiets beschäftigen. [1]
Das Buch besteht aus einer Einleitung, 11 Kapiteln unterschiedlicher Länge und 6 Anhängen. In der Einleitung erläutert der Autor die Beweggründe, die ihn dazu veranlassten, das religiöse Leben Phrygiens zu studieren: Die Region ist unglaublich reich an Inschriften, die einen Blick in die bäuerliche Welt öffnen (1 'the voiceless earth-coloured rustics'). Das ist es, was S. Mitchell vor einigen Jahrzehnten sehr treffend eine "world apart" nannte. Der Autor versucht, die phrygische Religion der Kaiserzeit zu definieren, wobei er sich bewusst ist, dass dies eine schwierige Aufgabe ist: Selbst ein antiker Autor wie Strabon (12, 4, 4; 13, 4, 12) musste zugeben, dass es zu seiner Zeit schwierig war, kulturell zwischen Phrygien, Lydien und Mysien zu unterscheiden. Dies wird auch durch den "epigraphic habit" der griechischen Inschriften aus der Kaiserzeit bestätigt, die in Phrygien und Lydien gefunden wurden und deren Ähnlichkeit den französischen Gelehrten L. Robert dazu veranlasste, den Begriff "Lydo-Phrygiens" zu prägen. [2] Angesichts der Ähnlichkeit der sakralen Inschriften und kultischen Praktiken in Phrygien und Lydien in der Kaiserzeit ist es überraschend, dass R. Parker die epigraphischen Belege aus Lydien bei der Rekonstruktion der kultischen Praktiken in Phrygien nicht im Detail berücksichtigt hat.
Im ersten Kapitel (9-26) werden die Kontexte des kultischen Lebens untersucht. Die beeindruckende Zahl von Inschriften aus ländlichen Gebieten zeigt die Religiosität der Bewohner des Landesinneren, die in mehr oder weniger kleinen Dörfern und auf Bauernhöfen lebten. Die Tatsache, dass für alle diese Inschriften ein archäologischer Kontext fehlt, erschwert die Rekonstruktion der religiösen Praktiken und Vorstellungen. Neben den ländlichen Gemeinden gab es in Phrygien auch blühende Städte wie Laodikeia am Lykos, Akmonia und Hierapolis, die ebenfalls jüdische Gemeinden beherbergten, die eine wichtige gesellschaftliche Stellung einnahmen. In diesem Zusammenhang lehnt Parker zu Recht eine starre Dichotomie zwischen Stadt und Land ab (24: In religion, the slogan 'worlds apart' appears too drastic).
Das zweite Kapitel (27-33) befasst sich mit den Priestern, die in den Inschriften häufig als Widmungsträger erwähnt werden. Diese Priester erweisen sich oft als zentrale Figuren, die eine wichtige gesellschaftliche Rolle spielten, wie beispielsweise A. Chaniotis in seinen Studien über die Beichtinschriften hervorgehoben hat. [3] Die Betrachtung der Priester als "frustratingly elusive" (29) sollte meines Erachtens mit Vorsicht akzeptiert werden. Die Kapitel drei und vier, die längsten (34-65, 66-78), die sich mit dem Problem des Polytheismus und der Anwendbarkeit dieses Konzepts auf die kultischen Praktiken und die sakralen Vorstellungen in Phrygien befassen, bilden den Kern des Buches. Sehr treffend sagt der Autor (36), dass die "Phrygians were not so much polytheist à la grecque but oligotheists, worshippers of a small team of gods". Denn, wie die epigraphischen Zeugnisse deutlich zeigen, werden in den Texten nur wenige Gottheiten aus dem traditionellen Pantheon erwähnt: Zeus, Men, die "Meter theon" und Apollon. Alle diese Gottheiten werden mit einer erstaunlichen Vielfalt an sakralen Attributen verehrt, die oft von Ortsnamen abgeleitet sind, und die Widmungen, die in der Regel zur Einlösung eines Gelübdes gemacht werden, zeigen, dass sie für praktisch alle Aspekte des alltäglichen menschlichen Lebens auf dem Lande angebetet wurden: für die soteria (Rettung) von Ochsen, für die Genesung und den Schutz von Angehörigen usw. Oft scheinen die religiösen Beinamen jedoch den Zuständigkeitsbereich dieser Gottheit nicht korrekt wiederzugeben. Diese Kapitel sind sehr reich an feinen Beobachtungen und Überlegungen zu Inschriften, Votivreliefs, Altären und literarischen Zeugnissen, auf die in diesem Zusammenhang leider nicht näher eingegangen werden kann. Es ist jedoch ein wenig überraschend, dass der Autor bei der Untersuchung der Dokumentation auf die Verwendung moderner, in der Forschung üblicher Begriffe wie Henotheismus oder Megatheismus verzichtet.
In der Monographie folgen dann ein kurzes Kapitel über "Heavenly and imperial gods" (79-82) und ein weiteres Kapitel (83-95), gewidmet den im Heiligtum des Apollon Lairbenos gefundenen Beichtinschriften. Dieses Heiligtum, das sich unter der Kontrolle der Stadt Hierapolis befand, genoss weit über die Grenzen Phrygiens hinaus Ansehen. Die hier gefundenen Inschriften zeugen von der Existenz des sogenannten Rituals der öffentlichen Beichte und der Manumission von Sklaven, die geweiht und damit unter den Schutz der Gottheit des Heiligtums gestellt wurden. Kapitel 7 (96-117) beschäftigt sich mit der Analyse der Rolle der Götter im Zusammenhang mit dem Tod anhand der Studie einer ausgewählten Anzahl von Widmungsinschriften an Zeus Bronton, in denen neben dem Gott auch die vergötterten Verstorbenen Erwähnung finden. Kapitel 8 (118-162) enthält anregende Beobachtungen zur Ausbreitung des Christentums in Phrygien und insbesondere zu den Gründen, warum die Bewohner dieser Region in so kurzer Zeit den neuen Glauben annahmen. Das Kapitel verfolgt einen äußerst interdisziplinären Ansatz durch die vergleichende Untersuchung literarischer und epigraphischer Quellen. Erwähnenswert ist die Analyse des Epitaphs des Epitynchanos. Es handelt sich um ein Grabdenkmal aus dem 4. Jahrhundert, auf dem einer der letzten bedeutenden Vertreter des Heidentums, zu Lebzeiten ein Hohepriester, als von den unsterblichen Göttern geehrt dargestellt wird. Kapitel 9 (163-171) befasst sich mit dem Problem der Kontinuität eines hethitischen Substrats im Zusammenhang mit der Existenz des Rituals der öffentlichen Beichte bei den Hethitern und dem persischen Einfluss in Phrygien. Kapitel 10 (172-194) ist der Frage der "interpretatio religiosa" gewidmet, für die die wirkungsvolle Metapher eines Maskenballs gewählt wird. Das letzte Kapitel (195-201) enthält in Kürze die Schlussfolgerungen des Buches. Der Autor hebt hervor, dass die phrygische Religion in der Kaiserzeit in zweierlei Hinsicht als hybrid angesehen werden kann. Sie stand nicht nur zwischen der griechischen und der anatolischen Welt, sondern auch zwischen urbaner und ländlicher Welt.
Sechs kurze Anhänge, die Themen gewidmet sind, die vielleicht mehr Raum verdient hätten, wie mythische Traditionen über die Ursprünge der griechischen Städte Phrygiens (203-214) und die Beziehung zwischen Heidentum und Montanismus (223-226), schließen das Buch ab.
Insgesamt ist Parkers Monographie eine achtenswerte Reflexion über die Religionsgeschichte Phrygiens während der Kaiserzeit und der Ausbreitung des Christentums sowie über die Entwicklung der lokalen religiösen Vorstellungen vom Göttlichen. Auch wenn man nicht allen vorgeschlagenen Interpretationen religiöser Phänomene zustimmen kann, wird dieses Buch eine Pflichtlektüre für alle zukünftigen Forscher der Religion Phrygiens in der Kaiserzeit sein.
Anmerkungen:
[1] Z.B. P. Thonemann (ed.): Roman Phrygia Culture and Society, Cambridge 2013; U. Kelp: Grabdenkmal und lokale Identität: ein Bild der Landschaft Phrygien in der römischen Kaiserzeit, Bonn. 2015; G. F. Chiai: Phrygien und seine Götter: Historie und Religionsgeschichte einer anatolischen Region von der Zeit der Hethiter bis zur Ausbreitung des Christentums, Rahden 2020; P. Thonemann: The Lives of Ancient Villages: Rural Society in Roman Anatolia, Cambridge 2022; S. Mitchell: The Christians of Phrygia from Rome to the Turkish Conquest, Leiden 2023.
[2] L. Robert: Villes d'Asie Mineure. Études de géographie ancienne, Paris 1962, 311.
[3] Z.B. A. Chaniotis: Under the Watchful Eyes of the Gods: Aspects of Divine Justice in Hellenistic and Roman Asia Minor, in S. Colvin (ed.): The Greco-Roman East. Politics, Culture, Society, Cambridge, 1-43.
Gian Franco Chiai