Rezension über:

Hannah Cornwell / Greg Woolf (eds.): Gendering Roman Imperialism (= Impact of Empire; Vol. 43), Leiden / Boston: Brill 2022, X + 271 S., 8 Farb, 3 s/w-Abb., ISBN 978-90-04-52476-7, EUR 124,12
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Nicole Diersen
Historisches Seminar, Universität Osnabrück
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Nicole Diersen: Rezension von: Hannah Cornwell / Greg Woolf (eds.): Gendering Roman Imperialism, Leiden / Boston: Brill 2022, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 2 [15.02.2025], URL: https://www.sehepunkte.de
/2025/02/38100.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Hannah Cornwell / Greg Woolf (eds.): Gendering Roman Imperialism

Textgröße: A A A

Der Band "Gendering Roman Imperialism", herausgegeben von Hannah Cornwell und Greg Woolf, bietet einen neuen Blick auf Geschlecht im Kontext des römischen Imperialismus (roman imperialism). Die Autoren analysieren, wie Geschlecht in männerdominierten Bereichen wie Politik und Militär konstruiert wird, und heben die Bedeutung des Schweigens über Frauen hervor (1). Ihr Ziel ist es, die Erfahrungen und Perspektiven von Frauen mit der Forschung über den römischen Imperialismus zu verknüpfen, um ein umfassenderes Verständnis zu fördern (4f.). Sie argumentieren, dass das Imperium nicht nur römische Macht über andere darstellt, sondern ein dynamisches Machtsystem, in dem Männer und Frauen gleichermaßen verwoben, entmachtet und marginalisiert werden (4).

Ein zentraler Aspekt ist der Unterschied zwischen der Repräsentation und Realität, der zur kontinuierlichen Produktion von Geschlechterstereotypen in einer komplexen Welt führt (8). Die Beitragenden untersuchen die Transformation von Geschlechterrollen und -darstellungen im Kontext imperialistischer Macht zwischen der mittleren Republik und der späten Kaiserzeit. Den Abschluss des Bandes bildet ein Nachwort von Rebecca Flemming, das die geschlechtliche Struktur des Römischen Reiches zusammenfasst und die Unterschiede sowie Gemeinsamkeiten der Beiträge aufzeigt.

Fraglich ist dabei, inwiefern die Verbindung zwischen Geschlecht und Imperialismus als neuartig gilt, da diese Beziehung bereits bestand und nun lediglich benannt wird. In den Beiträgen wird die Sichtbarkeit von Frauen in bereits in der Forschung etablierten Kontexten, wie öffentlichen Zeremonien, hervorgehoben. Ida Östenberg zeigt, dass es bei Beerdigungen keine signifikanten Geschlechterunterschiede gab. Anhand von Beispielen wie Caesars Grabrede für seine Tante Iulia und seine Ehefrau Cornelia sowie der Laudatio Turiae demonstriert sie, dass sowohl männliche als auch weibliche Bestattungen auf die exempla, die Vorbilder römischer Werte, abzielten. Dies verdeutlicht, dass die Bestattungen von Frauen eine wesentliche Rolle bei der Formung römischer Werte spielten (39): "Together with the male obsequies, they defined what it was to be a Roman" (54). Lewis Webb und Lovisa Brännstedt greifen eine Studie von Marleen Flory auf, um die Rolle weiblicher Angehöriger eines Triumphators während dessen Triumphs zu untersuchen (60). Sie zeigen, dass Frauen in verschiedene Elemente des Triumphzugs - Triumphwagen, Ahnenmasken, Bestattungen, Namen und Banketten - integriert waren und somit eine bedeutende Rolle in der imperialistischen römischen Praxis spielten (87). Kritisch anzumerken ist jedoch, dass bei der Analyse der Quellen, wie im Fall von Messalina, der historische Kontext nur unzureichend berücksichtigt wird.

Frauen wurden als Bestandteil der Dynastie betrachtet, die eng mit der Idee des Imperialismus verknüpft ist. Richard Alston analysiert quantitativ die Veränderungen in der Repräsentation von Frauen im römischen Genderdiskurs der augusteischen Zeit, die stark durch die Entstehung des Prinzipats beeinflusst wurde (96). Er betont, dass das Konzept der dynastischen Repräsentation die Hervorhebung von Kaiserfrauen erfordere, was er eindrücklich am Beispiel von Livia verdeutlicht (111). Sanna Joska beobachtet, dass Frauen der lokalen Elite, wie Julia Antonia Eurydice, Flavia Papiane und Annia Regilla, während der Antoninischen Zeit aktiv am Entstehen und Erhalt der römischen Macht beteiligt waren. Diese Frauen waren eng mit den allgemeinen und lokalen politischen Praktiken verbunden und spielten eine bedeutende Rolle in der familiären Patronage, die für die Familienkontinuität entscheidend war (198f.). Emily Hemelrijk hingegen diskutiert die Vielfalt von weiblichen Erfahrungen im Kontext der römischen Herrschaft in den Provinzen. Sie zeigt, dass es regionale Unterschiede in der öffentlichen Präsenz von Frauen gab. So seien Frauen im Mittelmeerraum gemäß Inschriftenmaterial stärker in öffentlichen Rollen eingebunden als in den nördlichen Provinzen. Hemelrijk hebt die Mischung aus römischen und lokalen Traditionen hervor und stellt fest, dass alle Frauen, anders als fälschlicherweise angenommen, vom römischen Imperialismus betroffen waren.

Louise Revell konstatiert einen Wandel bei der Integration von Frauen im römischen Reich und betont die Prozesshaftigkeit dieser Entwicklung. Sie hebt hervor, dass es wichtig ist, nicht nur die Eingliederung von Frauen zu betrachten, sondern auch zu analysieren, warum bestehende Strukturen unterbrochen wurden. Dabei unterscheidet er verschiedene Aspekte, wie wirtschaftliche Aktivitäten und Wohltätigkeit (148f.) und stellt eine zunehmende Sichtbarkeit von Frauen fest. Gleichzeitig betont er, dass lokal vorhandene Familienstrukturen kaum vom römischen Imperialismus beeinflusst wurden (160). Ähnlich bemerkt Julia Wilker, dass hinter den Grenzen des Imperiums andere Regeln galten. Klientelköniginnen, die ohne männliche Unterstützung agierten, wurden von Rom anerkannt, wie das Beispiel von Dynamis zeigt, die durch ihr Erbe als Symbol für Stabilität und Kontinuität galt (167). Hier galt Geschlecht nicht als Ausgrenzungskriterium (179). Lisa Pliar Eberle untersucht, wie durch Mode neue Trends gesetzt werden und wie der gesellschaftliche der Status geschlechterspezifisch zum Ausdruck kommt. Seide erwirbt dabei eine genderspezifische Bedeutung und wird im Laufe der Zeit nicht nur als Symbol für Unkeuschheit oder Unreinheit betrachtet (203), sondern steht auch für die virtus und den Reichtum von Männern (212-216). Seide ermöglicht somit die Schaffung neuer Geschlechtertypen (217).

Ein weiterer Marker für den römischen Imperialismus sind die Aspekte Liebe und Sexualität, in denen eine viktimisierende Perspektive auf Frauen in der antiken Literatur eingenommen wird. Michael J. Taylor identifiziert die männliche sexuelle Enthaltsamkeit und deren Regulierung als genderspezifischen Marker für die Republik, exemplifiziert durch Publius Cornelius Scipio und Cato dem Älteren. Alison Keith hingegen argumentiert, dass das Reich durch Liebeselegien definiert wird, die als verfügbares sexuelles Ventil für den Verlust der Kontrolle über politische Traditionen dienten (239) und Geschlechterdynamiken aufzeigen (225).

Schließlich ist festzuhalten, dass es in den Beiträgen zum Gendering und zu Geschlechterrollen nicht um eine strikte Geschlechtertrennung geht, sondern um die Involviertheit von Frauen im öffentlichen Leben im Kontext des römischen Imperialismus. Dies wird besonders deutlich in den Arbeiten von Östenberg, Webb und Brännstedt, die eine Beteiligung von Frauen in Zeremonien feststellen und dabei Gemeinsamkeiten zwischen Männern und Frauen ausmachen, während Alston trotz Geschlechterunterschiede in der Repräsentation die Präsenz von Frauen im öffentlichen Diskurs sieht (109). Dies unterstreicht die Notwendigkeit, sich von festgefahrenen Stereotypen einer Geschlechtertrennung zu distanzieren, die in der Forschung immer wieder reproduziert werden. Cornwell und Woolf haben mit ihren Ansätzen einen ersten Schritt geleistet, um diesen Richtungswechsel zu fördern.

Nicole Diersen