Angela Schwarz (Hg.): Der Park in der Metropole. Urbanes Wachstum und städtische Parks im 19. Jahrhundert, Bielefeld: transcript 2005, 223 S., ISBN 978-3-89942-306-8, EUR 23,80
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Als Kofi Annan bei seiner Eröffnungsrede am 4. Juli 2000 anlässlich der UNO-Konferenz "Urban 21. Global Conference of the Urban Future" in Berlin das urban millennium ausrief, begründete er dies mit der Tatsache, dass schon in naher Zukunft mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten leben würde. Tatsächlich trat diese Prognose bereits im Jahr 2006 ein. In hiesigen Breiten jedoch ist der Beginn eines "urban millenium" wohl eher 150 bis 200 Jahre früher zu datieren, in jene Zeit nämlich, als ökonomische Umwälzungen das Zeitalter der Massen einläuteten. Inzwischen zählen einige Städte auf der Erde, vor allem in den frühindustrialisierten sowie in den Schwellenländern, mehr als zehn Millionen Einwohner. Nicht nur dort, sondern auch in deutschen urbanen Regionen wie etwa dem Ruhrgebiet oder Berlin wurde früh die Frage gestellt, wie man Urbanisierung, also bisher in diesem Ausmaß unbekannte Bevölkerungskonzentrationen und -verdichtungen, lebenswert zu gestalten vermag. Diese Frage sehen die Autoren des vorliegenden Bandes auch heute wieder auf der Agenda und versuchen, anhand der Städte London, New York, Madrid und Barcelona beispielhafte Antworten aus der Perspektive der Stadtgeschichtsforschung zu geben.
Im ersten Beitrag widmet sich Lothar Reinermann den Londoner Parks im 19. Jahrhundert und hier vor allem dem Erholungsbedürfnis der städtischen Unterschichten vor dem Hintergrund königlicher Schöpfung und bürgerlicher Nutzung. Ausgehend von den alten klassischen Londoner Parks geht er nicht nur der Frage nach, wie Planung und Ausführung von Parks und öffentlichen Erholungsräumen aussah, sondern auch, wie sich die Parks auf das Freizeitverhalten der Bevölkerungsschichten auswirkten, welche Veränderungen in der öffentlichen Wahrnehmung stattfanden und wie die Parks angenommen wurden. Dabei gibt Reinermann exemplarisch Auskunft über den Regent's Park, den St. James' Park, den Green Park, Kensington Garden sowie den Hydepark und ordnet sie in den historischen Kontext ein. Besonders seit Mitte des 19. Jahrhunderts gesellten sich zu den altehrwürdigen Traditionsparks Londons, die eher im Innenbereich der Stadt lagen und den Stolz auf das Empire widerspiegelten, neue Parks am Stadtrand, vor allem in den Arbeiterbezirken. Sie waren, wie Reimann schreibt, bewusst mit der Absicht errichtet worden, auch den Arbeitern Möglichkeiten der Erholung zu gewähren. Insofern wurde diese Politik, die nicht nur die Stadt, sondern auch das Bürgertum und der König unterstützte, als Mittel zur Milderung sozialer Gegensätze gesehen. Zugleich hoben sie die Moral und banden die Arbeiterschaft an Stadt und Staat. Für die englische Nation sind die Londoner Parks so mehr als reine Erholungsstätten, sie sind Erbe der britischen Nation und versehen auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts ihren Dienst, nunmehr als grüne Lunge einer Millionenmetropole und als Erinnerungsmoment einer alten Weltmacht.
Die Parks in New York waren ebenso wie jene Londons Parks einer Metropole, allerdings eher solche einer neuen, auf jüngeren Fundamenten begründeten Weltmacht. Diesen widmet sich der Aufsatz von Angela Schwarz, der betitelt ist mit dem programmatischen Satz: "Ein Volkspark für die Demokratie: New York und die Ideen Law Olmsteds." In der Tat entwickelt die Autorin vor dem Hintergrund des stetigen Wachstums der Stadt, der sehr spät angestellten Überlegung zu einem Park sowie der widerstreitenden Interessen zwischen Mensch und Kommune, zwischen den Interessen der Erholungssuchenden und der Stadtoberen eine aufschlussreiche Geschichte des heute noch New York prägenden Central Parks. In der Mitte dieser Geschichte stand Law Olmsted, ein Landschaftsplaner, der mit dem Park nicht nur eine technische, sondern darüber hinaus eine "demokratische" Leistung zu vollbringen wünschte. Dabei verstand er in diesem Fall die Demokratie nicht als etwas Egalitäres - die Unterschichten blieben ihm ein Leben lang fremd -, sondern vielmehr als eine Rückbindung an die Ideale der Väter der Vereinigten Staaten im Angesicht von Hochindustrialisierung und Zuwanderung aus aller Welt. Der so visionäre wie inspirierte Landschaftsarchitekt sah das fortdauernde Wachstum der Stadt und so in seiner Parkplanung die Möglichkeit der Minimierung der negativen Folgen der Urbanisierung, oder besser: Metropolenbildung. Denn für Olmsted ging mit der Verstädterung nicht etwa der zivilisatorische Fortschritt einher, sondern lediglich die Verlagerung der Gegensätze von Zivilisation und "Rohem" (130) vom Land in die Stadt.
London und New York können sicherlich als Metropolen von Weltrang eingestuft werden, dies ist bei spanischen Städten wie Madrid und Barcelona jedoch zu hinterfragen. Nichtsdestotrotz sind diese Städte, wie die Autorin Stefanie Kickum schreibt, mit Parks bedacht, die sich seit dem 19. Jahrhundert auf dem Weg zu internationaler Bedeutung befinden. In Spanien spielten, so die Autorin, alle Aspekte der Parkplanung, die wir etwa in London und in New York kennenlernten, eine Rolle. So war der Madrider Parque del Retiro eine königliche Schöpfung, die sowohl eine Erholungs- und Freizeitfunktion hatte als auch repräsentativen Zwecken entsprach. Ebenso verhielt es sich mit dem jüngeren Parque del Oeste. Auch er war Teil einer städtischen Gesundheits- und Sozialpolitik und zugleich Zeichen der Konkurrenzfähigkeit Madrids im Reigen der europäischen Metropolen. Anders war hingegen die Parkplanung in Barcelona begründet. Hier war es keine kommunale Angelegenheit wie in Madrid oder auch in New York; in der Hauptstadt der Katalanen war der Parc Güell eine private Planung in Konkurrenz zur städtischen, allerdings mit der Zielsetzung einer Symbiose von Wohnen, Leben und Arbeiten. Und der Parc de la Ciutadella war eher dem katalanischen Regionalismus oder Nationalismus (218) geschuldet, der nicht nur soziale, sondern auch repräsentative sowie auf spezifische Weise separatistische Akzente setzte. Denn auf diesem Parkgelände fand schließlich 1888 die Weltausstellung statt.
Die Autoren des Bandes haben sich einer Thematik angenommen, die bisher in der klassischen stadtgeschichtlichen Forschung wenig beachtet worden ist. Mit den Städten London, Madrid, Barcelona und New York haben sie ebenso berühmte wie auch aussagekräftige Beispiele vorgestellt. Auch die unterschiedlichen Intentionen der Protagonisten des Landschaftsbaus in Verwaltung, Staat, Kommune und Bürgertum sowie die verändernde Sichtweise auf Grüne Lungen im städtischen Raum wurden anschaulich nachgezeichnet. Wünschenswert wäre noch ein Beispiel aus dem deutschsprachigen Raum gewesen, etwa aus jenen Regionen, die zwar eine starke Urbanisierung, jedoch keine "Metropolenbildung" durchgemacht haben (Ruhrgebiet). Gerade für Regionen, die aus primär ökonomischen Gründen zum städtischen Raum wurden, wären Fragen nach der Intention einer Raumplanung sowie dem Einsetzen derselben aufschlussreich gewesen und hätten, insbesondere vor dem Hintergrund des vorangestellten Diktums des ehemaligen UNO-Generalsekretärs, das Buch abgerundet.
Helmut Rönz