Wolfram Hoepfner: Halikarnassos und das Maussolleion. Die modernste Stadtanlage der späten Klassik und der als Weltwunder gefeierte Grabtempel des karischen Königs Maussollos, Mainz: Philipp von Zabern 2013, 144 S., 51 Farb-, 26 s/w-Abb., ISBN 978-3-8053-4609-2, EUR 29,99
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Der vorliegende Band gliedert sich, wie schon der Titel "Halikarnassos und das Maussolleion" nahelegt, in zwei Themenbereiche: Im ersten Teil bespricht Hoepfner vorrangig die Geschichte und die Monumente der Stadt selbst (dem heutigen Bodrum in der Türkei) und ihres Umlands (11-69), während er im zweiten Abschnitt des Buches (70-133) zuerst den Grabbau des Maussollos hinsichtlich seiner Forschungsgeschichte sowie der Quellenlage vorstellt, um in einem weiteren Schritt einen neuen Rekonstruktionsversuch auszuarbeiten.
Im ersten Teil geht Hoepfner kurz auf den gesellschaftlichen und kulturellen Austausch zwischen Karern und Griechen ein, soweit dieser aus den antiken Quellen erkennbar ist. Daraufhin wendet er sich frühen karischen Siedlungen und Grabdenkmälern im Umfeld von Halikarnassos zu. In einem dritten Schritt zeigt er schließlich die Neuordnung Kariens und die hegemoniale Stellung der Hekatomniden, insbesondere des Satrapen Maussollos, unter persischer Herrschaft an der kleinasiatischen Westküste auf. Mit dieser Vormachtstellung geht auch die Entstehung der neuerrichteten Hafen- und Residenzstadt Halikarnassos mit ihren monumentalen Befestigungsanlagen einher. Diese streift Hoepfner ebenso kurz wie die städtische Bebauung, das Straßenraster, den Palast mit seinem "Königshafen" sowie das Aphrodite-Heiligtum an der Salmakis-Quelle, wobei er sich ausführlich mit der Schilderung der Stadtanlage bei Vitruv [1] auseinandersetzt. Etwa auf die von Jan Zahle und Kjeld Kjeldsen vorsichtig angeführten Hinweise auf eine Entwicklung der Stadt, [2] wonach das Maussolleion erst nachträglich erbaut wurde, und somit die eigentliche Stadtplanung gar nicht nach diesem Bau ausgerichtet ist, geht Hoepfner an keiner Stelle ein. Vielmehr bleibt er bei seinen schon bekannten Darlegungen zur Stadtgründung, [3] die nahezu ausschließlich anhand der Schriftquellen rekonstruiert wird. [4]
Im zweiten Teil zum Maussolleion bietet Hoepfner zuerst einen kurzen Abriss über die bisherige Forschungsgeschichte. Er stellt unter Berücksichtigung der Grabungsbefunde [5] drei vorangegangene Rekonstruktionsvorschläge von Richard Pullan, [6] Fritz Krischen [7] sowie zuletzt von Kristian Jeppesen [8] kritisch vor. Daraufhin geht er auf die Unwägbarkeiten bei der Rekonstruktion des Grabmonuments hinsichtlich seiner Maße und der Statuenaufstellungen ein, die vorwiegend aus der Deutung der Stelle bei Plinius [9] resultieren. Hoepfners vorgeschlagene Rekonstruktion des Maussolleions basiert zum einen auf einer neuen Lesart der Pliniusstelle und zum anderen auf dem Vergleich mit einem Grabbau in Mylasa, den er als Zwillingsbau charakterisiert: Zur Untermauerung seiner Theorie geht der Autor in mehreren Unterkapiteln in systematischer Reihenfolge auf den Unterbau, das Hauptgeschoss, die Stufenpyramide des Dachgeschosses mit der bekrönenden Quadriga sowie zuletzt auf den Statuen- und Friesschmuck ein. Weiterhin zieht er ältere karische Grabbauten wegen ihrer typologischen Nähe hinzu. Seine Ausführungen münden schließlich in dem aus seiner Sicht möglicherweise zur Erprobung verschiedener Bautechniken kurz vor dem Maussolleion von Halikarnassos begonnenen Grabmal in Mylasa. Dieser Bau ist zuletzt von Frank Rumscheid eingehend besprochen worden, wobei dieser die These, dass das Grabmal in Mylasa als Vorgängerbau des Maussolleions von Halikarnassos anzusehen ist, bereits überzeugend vorgebracht hat [10]. Obgleich bei Hoepfner aufgrund seiner Argumentationsfolge eine ausführliche Darlegung der baulichen Parallelen zu erwarten wäre, spricht er diese nur sehr oberflächlich an. Vielmehr verweist er auf den Umstand der nicht abgeschlossenen bzw. teilweise noch ausstehenden Grabungen in Mylasa. Es folgt nun eine eher flüchtige Aneinanderreihung einiger Bauten, die Hoepfner in der Tradition des Maussolleions von Halikarnassos sieht: Das Mausoleum von Belevi, den Bau des Polyxenos aus Kallithea, einen Grabtempel bei Knidos sowie das kaiserzeitliche Gümüşkesen-Mausoleum in der Westnekropole von Mylasa.
Die im Vorwort angestrebte, inhaltliche bzw. argumentative Verbindung von Stadt und Maussolleion wird grundsätzlich nur unzureichend hergestellt. Dagegen wird der neue Rekonstruktionsversuch des Grabmals übersichtlich und systematisch präsentiert. Hinsichtlich der Lesung der Pliniusstelle kann die auf Ideen von Fritz Krischen [11] fußende Theorie von Hoepfner durchaus überzeugen. Vor dem Hintergrund des aktuellen Forschungsstandes bleibt die Aussagekraft des sogenannten Zwillingsbaus in Mylasa für die Rekonstruktion des Maussolleions von Halikarnassos allerdings fraglich. An verschiedenen Stellen würde man sich ausführlichere und vor allem vollständigere Literaturverweise wünschen. Die große Zahl an Abbildungen, vor allem Zeichnungen und Rekonstruktionen, lassen den Leser im Gegenzug aber die dargelegten Thesen anschaulich nachvollziehen und tragen somit zum positiven Gesamtbild des Bandes bei, welcher sich in Umfang, Gestaltung und Preis eher an ein breites Publikum als gezielt an die Fachwelt richtet. Zusammenfassend bietet Hoepfner einen zwar kurz gehaltenen, jedoch gelungenen Überblick sowohl über die Stadt als auch über das Maussolleion von Halikarnassos.
Anmerkungen:
[1] Vitruv: De architectura libri decem, 2, 8, 10-13.
[2] Jan Zahle / Kjeld Kjeldsen: The Maussolleion at Halikarnassos. Reports of the Danish Archaeological Expedition to Bodrum. Vol. 6, 2004, 178.
[3] Wolfram Hoepfner / Ernst-Ludwig Schwandner: Haus und Stadt im klassischen Griechenland, 1994, 227-230; Wolfram Hoepfner: Geschichte des Wohnens, 1999, 317-318.
[4] Vgl. Frank Rumscheid: Rezension zu Jan Zahle / Kjeld Kjeldsen: The Maussolleion at Halikarnassos. Reports of the Danish Archaeological Expedition to Bodrum. Vol. 6, 2004, in: Gnomon 80 Bd. H. 3, 2008, 243-247.
[5] The Maussolleion at Halikarnassos. Reports of the Danish Archaeological Expedition to Bodrum. Vol.1-7, 1981-2004.
[6] Richard Pullan: Restoration of the Mausoleum, in: Ch. Newton: A History of Discoveries at Halicarnassus, Cnidus and Branchidae, Vol. 2.1, 1862, 157-185.
[7] Fritz Krischen: Weltwunder der Baukunst, 1956, 73-85.
[8] Kristian Jeppesen: The Maussolleion at Halikarnassos. Reports of the Danish Archaeological Expedition to Bodrum. Vol. 4, 2000,89-91.
[9] Plinius: Naturalis historia, 36, 30-32.
[10] Frank Rumscheid: Maussollos and the 'Uzun Yuva' in Mylasa: an unfinished Proto-Maussolleion at the Heart of a New Urban Center?, in: R. van Bremen / M. Carbon (eds.): Hellenistic Karia. Proceedings of the First International Conference on Hellenistic Karia, Oxford, 29 June - 2 July 2006, 2010, 69-102.
[11] Fritz Krischen: Weltwunder der Baukunst, 1956, 81 u. 96-101.
Johannes Linnemann