Jessica Barker: Stone Fidelity. Marriage and Emotion in Medieval Tomb Sculpture (= Boydell Studies in Medieval Art and Architecture), Woodbridge: Boydell Press 2020, XVII + 336 S., 33 colour, 63 black and white, 2 line illustrations, ISBN 978-1-78327-271-6, GBP 50,00
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Fünfzig Jahre nach dem Erscheinen von Erwin Panofskys epochemachender Studie "Tomb Sculpture: Four Lectures on its Changing Aspects from Ancient Egypt to Bernini" von 1964 widmete das Londoner Courtauld Institute dem Buch eine eigene Tagung, deren Beiträge 2016 unter dem Titel "Revisiting the Monument: Fifty Years Since Panofsky's Tomb Sculpture" erschienen, herausgegeben von Ann Adams und Jessica Barker [1]. Dies scheint einen Wendepunkt zu markieren, denn in den vergangenen Jahren hat die Erforschung der mittelalterlichen Grabskulptur einen bemerkenswerten Aufschwung erlebt. Neben Shirin Fozis Studie "Romanesque Tomb Effigies: Death and Redemption in Medieval Europe, 1000-1200" [2] ist hier vor allem der von Stephen Perkinson und Noa Turel herausgegebene Sammelband "Picturing Death 1200-1600" [3] zu nennen, beide aus dem Jahr 2021.
Jessica Barker, eine der Organisatorinnen der Panofsky-Tagung, lenkt in der hier zu besprechenden Publikation den Blick auf eher ungewöhnliche Beispiele, vor allem des 14. und 15. Jahrhunderts. Am Anfang steht das Gedicht "An Arundel Tomb" von Philip Larkin (1956), in dem dieser das Motiv des Händehaltens eines Ehepaares auf einem mittelalterlichen Grabmal umschreibt (1) und dem der Titel des Buches entnommen ist. Das Gedicht schließt mit dem Satz: "What will survive of us is love". Damit ist der Problemkreis umrissen, mit dem sich ein Großteil des Buches auseinandersetzt: die unkritische Übertragung von heutigen Emotionen, die wir beim Anblick eines Bildwerks entwickeln, auf mittelalterliche Bildwerke (16). Dabei stellt Barker nicht in Abrede, dass die Grabmäler Gefühle zwischen den Ehepartnern zum Ausdruck bringen sollten (2). Sie sieht dies jedoch als den Teil eines komplexen Geflechts religiöser, rechtlicher, wirtschaftlicher und künstlerischer Veränderungen. Zudem mahnt sie zur Vorsicht bei den Quellen, die in der Regel von Klerikern verfasst wurden (8), also einen bestimmten Blickwinkel wiedergeben.
Ausgehend von der Geschichte des Doppelgrabes beschäftigt sich die Autorin eingangs mit der Frage, was wir, ausgehend von der Darstellung beider Ehepartner, über die Veränderungen in der Auffassung von Tod und Begräbnis im Verhältnis zu den Grabmonumenten sagen können. Das zweite Kapitel thematisiert königliche Gräber anhand mehrerer Fallbeispiele, aufbauend auf Ernst Kantorowiczs These der zwei Körper des Königs. Der Schwerpunkt des dritten Kapitels liegt auf Frauen, die mehrfach verheiratet waren. Im vierten Kapitel kommt schließlich ein besonders in England verbreitetes Motiv des Händehaltens der Eheleute zur Sprache, das aus heutiger Perspektive als emotionales Zeichen der gegenseitigen Zuneigung interpretiert wird, im Mittelalter aber eine symbolisch, mit Bedacht eingesetzte Geste war.
Die besonderen Stärken der Publikation liegen in den Fallstudien. Barker stellt treffend fest, dass in der Vergangenheit Grabmäler oft aus ihren architektonischen und liturgischen Zusammenhängen herausgelöst wurden, dass der Kontext vor Ort, beispielsweise andere auf die Grabanlage bezogene Kunstwerke, übersehen wurde (17-19). Das ist für sich genommen zwar keine neue Überlegung, öffnet aber im Bereich der Grabmalforschung vielversprechende neue Ansätze.
Als einen der zentralen Punkte der Studie rückt Barker die Frage nach dem Spannungsverhältnis zwischen den Darstellungen eines Paares auf dem Grab und den oft noch lebenden Persönlichkeiten in den Mittelpunkt (27). Teilweise standen die Grabmäler bereits mehrere Jahrzehnte in der Kirche, bis auch der Ehepartner starb. Dieser konnte so in dem Bewusstsein auf sein eigenes Bildwerk blicken, eines Tages selbst an der Seite des verstorbenen Partners zu liegen. Barker macht hier einen fundamentalen Auffassungswandel im Verhältnis zum Körper und zu dem Moment des Todes insgesamt aus (49-64).
Als ein Fallbeispiel dient der Autorin das zwischen 1374 und 1380 gefertigte Grabmal des John of Gaunt (gest. 1399) und seiner ersten Frau Blanche (gest. 1368) in St. Paul's Cathedral in London, das durch Quellen und eine Zeichnung gut überliefert ist. Barker sieht einen Funktionswandel, als John 1399 fast zwei Jahrzehnte nach der Herstellung verstarb. Schon zuvor sei aber die Grenze zwischen lebendem und verstorbenem Ehepartner aufgehoben gewesen (56).
Wie schwierig eine Interpretation ist, wird deutlich, wenn die Autorin beschreibt, wie deren Sohn König Heinrich IV. beim ersten Besuch des Grabmals nach dem Tod des Vaters, so der Bericht des Chronisten Jean Creton, in Trauer ausbricht. Barker bezieht dies direkt auf das Monument mit seinen Darstellungen (57). Zu fragen ist jedoch, inwiefern in dem Text Topoi zum Ausdruck gebracht werden und inwieweit sich die Trauer des Königs tatsächlich auf die Bildnisse bezog oder abstrakter auf die Erinnerung an die Verstorbenen. Insofern ist die Aussagekraft der Quelle einzuschränken.
Unklar bleibt auch, wie mittelalterliche Menschen die aus heutiger Sicht eigenartige Situation beim Besuch einer Grabanlage mit der Darstellung eines zu diesem Zeitpunkt noch lebenden Menschen erfahren haben bzw. wie ein noch Lebender seiner eigenen Darstellung auf der Grabplatte gegenübertrat. Aufschlussreich ist das Beispiel des Regensburger Bischofs Heinrich von Rotteneck (gest. 1296), der schon über ein Jahrzehnt vor seinem Tod sein Grabmal anfertigen ließ, dessen Figur ihm - so ein zeitgenössischer Bericht - ähnlich gewesen sein soll [4]. Die Situation ist also den von Barker behandelten Doppelgrabmälern vergleichbar. Zu fragen ist deshalb, ob die Ansicht des eigenen Grabmals mit dem verstorbenen Ehepartner damals überhaupt als ungewöhnlich empfunden wurde.
Ein Paradebeispiel sorgfältiger Analyse ist der Abschnitt zu den Grabmälern, auf denen die Ehepartner sich die Hände halten. Damit kommt die Autorin auf das eingangs zitierte Gedicht zurück, versucht aber, die Gesten innerhalb der jeweiligen Zeit und Kultur zu verstehen (2). Eine Pionierrolle nehmen hier königliche Grablegen ein, wie die Richards II. und Annas von Böhmen (112-131) in der Confessors Chapel in Westminster Abbey. Einerseits scheint es zwischen den beiden tatsächlich eine ungewöhnliche Nähe gegeben zu haben, die in die Gestaltung der Anlage eingeflossen ist. Andererseits verweist das Motiv des Händehaltens symbolisch auf die Bedeutung des Hochzeitakts und der Krönung. Hinzu kommt hier, dass die Ehe kinderlos blieb und die Gemahlin heiligenähnlich in himmlische Sphären entrückt wird (126 f.).
Die Autorin verdeutlicht, dass es oft Ausnahmesituationen oder Rechtsstreitigkeiten sind, die zu ungewöhnlichen Lösungen bei der Gestaltung von Grabanlagen führten. Die Gesten dienten häufig als Beweis für die Gültigkeit einer Hochzeit in den Augen der Kirche (261). So wird deutlich, wie wichtig die Einbeziehung des Studiums mittelalterlicher Gesten ist, und wie fundamental sie sich teilweise von den heutigen unterscheiden. Es sind eben demonstrative Handlungen und nicht spontane emotionale Äußerungen.
Auf diese Weise verknüpft Barker in vorbildhafter Form objektorientierte Forschung mit Kontextualisierung zu einem höchst anregenden Diskussionsbeitrag, der wichtige Impulse für die künftige Forschung bietet.
Anmerkungen:
[1] Ann Adams / Jessica Barker (eds.): Revisiting the Monument: Fifty Years Since Panofsky's Tomb Sculpture, London 2016.
[2] Shirin Fozi: Romanesque Tomb Effigies: Death and Redemption in Medieval Europe, 1000-1200, University Park 2021.
[3] Stephen Perkinson / Noa Turel (eds.): Picturing Death 1200-1600, Leiden 2021.
[4] Gerhard Lutz: Die Grabplatte des Wolfhard von Roth: Eine kunsthistorische Versuchsanordnung, in: Die Bronze, der Tod und die Erinnerung. Das Grabmal des Wolfhard von Roth im Augsburger Dom, hgg. von Gerhard Lutz / Rebecca Müller, Passau 2020, 131-149, hier 135-136.
Gerhard Lutz