David Rohrbacher: The Play of Allusion in the Historia Augusta, Madison, WI: University of Wisconsin Press 2016, XIII + 246 S., ISBN 978-0-299-30600-7, USD 65,00
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Das hier zu besprechende Buch reiht sich in die erfreulicherweise größer werdende Zahl aktueller Arbeiten ein, die den Versuch unternehmen, bei der Beschäftigung mit der sogenannten Historia Augusta über die Frage nach der historischen Zuverlässigkeit und der damit eng verbundenen Diskussion der Quellen hinaus zu gelangen und diese in vielerlei Hinsicht singuläre Sammlung von Kaiserbiografien aus der Spätantike als literarischen Text ernst zu nehmen und daher auch in literaturwissenschaftlichen Kategorien zu interpretieren. Dass sein Verfasser den innovativen Charakter des von ihm verfolgten Ansatzes überbetont (vgl. vor allem ix), ist sicherlich der in Proömien üblichen Topik geschuldet, hätte aber durch die Berücksichtigung einiger neuerer Publikationen relativiert werden können. [1] Damit soll jedoch keineswegs in Abrede gestellt werden, dass es sich bei der von David Rohrbacher vorgelegten Studie um einen wichtigen und im Ganzen überzeugenden Beitrag zu diesem Forschungsfeld handelt.
Der Fokus liegt dabei auf den literarischen Anspielungen, die sich in reicher Zahl in der Historia Augusta finden lassen und die von Rohrbacher nicht als schmückendes Beiwerk, sondern als ein zentrales Element der Gestaltung verstanden werden (3: "[...] and the identification of these allusions, I believe, is one of the primary purposes for which this work was created."). Während die ältere Forschung oft versucht hat, Verweise dieser Art als implizite politische oder religiöse Aussagen des Verfassers der Historia Augusta zu deuten, vertritt Rohrbacher die These, dass es sich dabei um ein literarisches Spiel handelt, das seinen Zweck in sich selbst hat (4: "His inventiveness is not merely a tool for filling in the gaps in his understanding of the past, or a method of commenting, seriously or comically, on his primary interest in biographical narrative. Instead, he invents in the service of a literary program that values inventiveness for its own sake.").
In der Einleitung (3-15) wird insofern die Grundlage für die weitere Untersuchung gelegt, als einige der schon häufiger beobachteten Merkwürdigkeiten der Historia Augusta konsequent als Teil der literarischen Strategie ihres Verfassers gedeutet werden. Die Verwendung von sechs Pseudonymen, die falsche Selbstdatierung des Texts, die unausgewogene Darstellung im Laufe des Werkes, die Lücken in der historischen Chronologie und auch der willkürliche Umgang mit den Vorlagen werden von Rohrbacher als Teil des Rätsels verstanden, das der anonyme Verfasser seinen Lesern stellt und dessen Auflösung durch diese er erwartet.
Das erste Kapitel "Allusion in the Historia Augusta" AistoHisto (16-46) beginnt mit einigen methodischen Vorbemerkungen und enthält dann Fallstudien zu Feldern, auf denen intertextuelle Bezüge eine besonders große Rolle spielen (etwa in der Wahl der fiktiven Eigennamen oder im Rekurs auf verschiedene Werke Ciceros). Auch wenn - wie von Rohrbacher eingeräumt - nicht alle Beispiele alle Leser in gleicher Weise überzeugen werden, ergibt sich doch aus der Fülle des hier präsentierten Materials eine zusätzliche Ebene der Plausibilisierung.
Im zweiten Kapitel "The Historia Augusta and the Ancient Reader" (47-86) werden zunächst weitere literarische Anspielungen vorgestellt, wobei sich der Akzent von Bezügen auf einzelne Autoren hin zur Auseinandersetzung mit Gattungen und ihren Konventionen verschiebt. Dabei spielen Biografie und Geschichtsschreibung die zentralen Rollen, aber auch der Roman wird kurz in den Blick genommen. In der zweiten Hälfte des Kapitels wird auf der Grundlage dieser Beobachtungen dann der Versuch unternommen, den Autor und die Leser der Historia Augusta näher zu bestimmen. Dabei spricht sich Rohrbacher klar für eine Lokalisierung im Milieu der Gelehrten zu Beginn des 5. Jahrhunderts n.Chr. aus und geht daher von einem recht engen Zielpublikum aus, das nicht nur in der Lage war, die vielfältigen Anspielungen aufzulösen, sondern ein literarisches Spiel solcher Art auch als den eigentlichen Daseinszweck des Werkes zu goutieren.
In den folgenden Kapiteln "Religion in the Historia Augusta" (87-133) und "Imperial History Reimagined" (134-169) wendet sich Rohrbacher gegen zwei gängige Deutungen der Anspielungen in der Historia Augusta und widerlegt überzeugend die Annahme, dass der anonyme Verfasser auf diese Weise gleichsam zwischen den Zeilen seine eigentliche Aussage versteckt habe. Am ausführlichsten setzt sich Rohrbacher dabei mit der These auseinander, dass eine pagane Agenda verfolgt werde. Im Anschluss an die Arbeiten von Alan Cameron [2] argumentiert er einerseits gegen eine solche generelle antichristliche Stoßrichtung, macht aber andererseits plausibel, dass sich durchaus punktuelle Kritik an einzelnen Vertretern des Christentums, vor allem an Hieronymus, finden lässt. Gegen eine explizite politische Lesart der Historia Augusta führt er vor allem seine Beobachtung ins Feld, dass die meisten Anspielungen sich nur mittelbar auf die historischen Ereignisse, sondern primär auf die Werke der Autoren richten, in denen sie erwähnt werden, und dass es sich daher in erster Linie um literarische Bezüge und nicht um weltanschauliche Stellungnahmen handelt. Diese These, die vor allem am Beispiel von Ammianus Marcellinus veranschaulicht wird, kann dann natürlich nicht ohne Folgen für die vielverhandelte Frage der Datierung bleiben. Hier wird von Rohrbacher ein vergleichsweise später Ansatz zwischen 408 und 410 n.Chr. vertreten.
Im Fazit (170-175) wird die generelle These, dass die sogenannte Historia Augusta als ein literarisches Spiel unter Gelehrten entstanden ist, und erst durch eine Reihe von Missverständnissen im Laufe der Rezeptionsgeschichte zu einer historisch-biografischen Quelle umgedeutet wurde, noch einmal zusammengefasst und auf den Punkt gebracht. Angesichts der zahlreichen und wenig erfolgreichen Versuche, in der Historia Augusta eine bestimmte Tendenz nachzuweisen, ist die von Rohrbacher vertretene Lösung, die intertextuellen Anspielungen als Selbstzweck zu akzeptieren, so radikal wie überzeugend. Ob damit doch nicht am Ende auch eine historiografische Aussage verbunden ist, die über "a kind of comic anarchy" (21) hinausgeht, steht auf einem anderen Blatt, ließe sich aber auf der Grundlage der hier präsentierten Ergebnisse gut untersuchen.
Anmerkungen:
[1] Vgl. z.B. Dennis Pausch: Libellus non tam diserte quam fideliter scriptus? Unreliable Narration in the Historia Augusta, in: Ancient Narrative 8 (2009), 115-135; Geoff W. Adams: Marcus Aurelius in the Historia Augusta and Beyond, Lanham, MD 2013; Samuel Christian Zinsli: Kommentar zur Vita Heliogabali der Historia Augusta, Bonn 2014; oder Matthias Haake: 'In Search of Good Emperors'. Emperors, Caesars, and usurpers in the mirror of antimonarchic patterns in the Historia Augusta - some considerations, in: Antimonarchic Discourse in Antiquity, hg. v. Henning Börm, Stuttgart 2015, 269-303.
[2] Vgl. v.a. Alan Cameron: The Last Pagans of Rome, Oxford 2010.
Dennis Pausch