Franziska A. Zaugg: Albanische Muslime in der Waffen-SS. Von "Großalbanien" zur Division "Skanderbeg" (= Krieg in der Geschichte (KRiG); Bd. 96), Paderborn: Ferdinand Schöningh 2016, 346 S., 20 s/w-Abb., ISBN 978-3-506-78436-0, EUR 39,90
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Die deutsche Besatzungsherrschaft in Albanien währte nur kurz, von September 1943 bis Ende November 1944. Sie war die Folge des Frontwechsels Italiens, das Albanien 1939 besetzt und einer als Personalunion der beiden Königreiche getarnten Besatzungsverwaltung unterworfen hatte. Italien nutzte Albanien als Basis für den Angriff auf Griechenland, der erst durch die Intervention Deutschlands zum Erfolg gebracht werden konnte.
Die Rekrutierung von Albanern in die Waffen-SS, die in den neu an Albanien angeschlossenen ehemals jugoslawischen Gebieten stattfand, also in erster Linie im Kosovo, ist der Kreuzungspunkt zwischen der nationalen Geschichte Albaniens, der regionalen Geschichte des Balkans und der Entwicklung der SS von ihrem ursprünglichen Leitbild eines germanischen Eliteordens hin zu einer gesamteuropäischen antibolschewistischen Weltanschauungsarmee.
Zaugg führt in einem ersten Kapitel in den Forschungsstand ein. Die Literatur über die SS im Allgemeinen und die Waffen-SS im Besonderen ist kaum noch überschaubar. Von deutscher Seite ist der Zweite Weltkrieg in Albanien in den Dissertationen von Bernhard Kühmel (1981, leider nicht in Buchform erschienen) und Hubert Neuwirth (2008) dargestellt worden, von US-amerikanischer in einer Monographie von Bernd-Jürgen Fischer (1999). Weit reichhaltiger ist die westliche Literatur über den Krieg in Jugoslawien.
Die im Mittelpunkt der Arbeit stehende 21. Waffen-Gebirgs-Division der SS "Skanderbeg" (albanische Nr. 1) wird in Kompilationen zum Aufbau und zur Truppengeschichte entweder von apologetischen Autoren wie Rolf Michaelis und Roland Kaltenegger oder in politisch zielgerichteten Arbeiten behandelt. [1] Insofern bleibt ihre Erforschung ein Desiderat, zumal die Forschungslage zur 13. Waffen-Gebirgs-Division der SS "Handschar" (kroatische Nr. 1), aus deren Reihen die Soldaten der "Skanderbeg" zum Teil stammten, recht gut ist.
Leider ist die Literatur aus den Balkanländern nur marginal in die Arbeit eingeflossen. Archivalien aus Belgrad und Tirana wurden mit Hilfe von Übersetzerinnen herangezogen. Albanischkenntnisse hat sich die Autorin nicht angeeignet.
Zaugg gliedert ihre Studie in drei Teile. Der erste besteht aus einer kurzen Einführung in die Geschichte Albaniens, aus einer Darstellung der italienischen Besatzungsherrschaft einschließlich der Annexion des Kosovo nach der Zerschlagung Jugoslawiens und der damit verbundenen Spannungen zwischen Deutschland und Italien. Auch die Etablierung der deutschen Herrschaft mit ihren Strukturen und wirtschaftlichen Implikationen sowie die politischen Akteure in Besatzung, Kollaboration und Widerstand werden thematisiert.
Der zweite Teil gilt der "Skanderbeg"-Division. Das erste Kapitel behandelt die Voraussetzungen für ihre Aufstellung. Entscheidend war besonders die Konfliktlage im Rekrutierungsraum Kosovo. Schon vorher gab es erste Versuche, muslimische Albaner in die Waffen-SS einzubinden, auch durch Zwangsrekrutierungen. Der Islam war - wie bei der "Handschar"-Division - Bestandteil der Identität der Truppe, wobei eine geistige Wesensverwandtschaft zwischen Islam und Nationalsozialismus postuliert wurde. Im Mai 1944 fand dann die offizielle Aufstellung der Division statt, die ihre Sollstärke von 19.000 Mann nie erreichte und im August gerade 8.400 Mann hatte. Dass die Offiziere ausschließlich von den Deutschen gestellt wurden, bedeutete ein nie gelöstes strukturelles Problem.
Während ihrer kurzen Geschichte bestand die Hauptaufgabe der Truppe in der Sicherung des Kosovo, also der kriegswirtschaftlich wichtigen Güter und Straßen, gegen die albanischen und jugoslawischen Partisanen. Dabei kooperierte sie mit den sogenannten nationalen Banden, also Verbänden, die eine Machtübernahme der Kommunisten verhindern wollten, was gleichbedeutend mit einem erneuten Verlust des Kosovo für Albanien gewesen wäre. Die Division terrorisierte auf der Suche nach Gegnern und nach Juden die Bevölkerung und baute in Priština ein Konzentrationslager auf. Sie zog sich im Gefolge der Deutschen bald zurück, wobei der größte Teil der Albaner desertierte.
Im dritten Teil untersucht Zaugg die Entstehung des Bildes, das in Deutschland von Albanien und den Albanern vorherrschte; der obligatorische Verweis auf Karl May, der auch in der Erinnerungsliteratur immer wieder genannt wird, darf nicht fehlen. Die einschlägige Studie wurde anscheinend übersehen. [2] Für Zaugg ist bemerkenswert, wie sehr sich die Einschätzung der Albaner als Kämpfer veränderte; nach anfänglicher Bewunderung für ihre Tapferkeit und Belastbarkeit dominierten bald Aussagen über ihren völligen Mangel an Disziplin und über Feigheit vor dem Feind.
In ihrem Fazit weist Zaugg auf die Gewaltkontinuität in Kosovo hin, die meist an der ethnischen Grenze zwischen Serben und Albanern verläuft. Die auch von der Division "Skanderbeg" begangenen Verbrechen an den Serben, denen wiederum eine Kolonisierung des Kosovo durch Serben vorausgegangen war, diente der Rechtfertigung härtester Maßnahmen nach Kriegsende, die nicht nach dem Kriterium der persönlichen Verantwortlichkeit getroffen wurden. Zugleich dient die bloße Existenz dieser Division für Teile der serbischen Öffentlichkeit noch in der Gegenwart als Beleg für den angeblich notorisch faschistischen Charakter der Albaner.
Die Arbeit ist seltsam strukturiert; der Titel passt nicht recht zum Inhalt. Von rund 300 Textseiten sind nur 155 dem eigentlichen Gegenstand gewidmet. Besonders der dritte Teil zum Albanerbild ist weitgehend redundant. Der Autorin sind zudem einige Detailfehler unterlaufen. So wurde der kurzzeitige Regierungschef Ibrahim Biçaku nach dem Krieg nicht erschossen (100), sondern saß 17 Jahre im Gefängnis. Enver Hoxha war niemals Staatsoberhaupt (340), sondern Parteichef und von 1944 bis 1954 Ministerpräsident.
Bei der Mobilisierung von Albanern zugunsten der Deutschen spielte die pro-nationalsozialistische "Zweite Liga von Prizren", die eine ethnische Säuberung des Kosovos von Serben betrieb, eine Schlüsselrolle. Ihr Führer Bedri Pejani bot Hitler schriftlich die Rekrutierung von 120.000 bis 150.000 Albanern an; Zaugg spricht aber von einem Schreiben an Himmler (145). Ein einziger Hinweis, dass die Schreibungen von Orts- und Personennamen bei wörtlichen Quellenzitaten übernommen wurden, hätte vollauf gereicht. Es ermüdet, wenn der Text ständig durch ein "sic" unterbrochen wird.
Franziska Zaugg ist eine sehr faktenreiche Studie gelungen, die zum Verständnis deutscher Besatzungsregime und zur Entwicklung der SS wesentlich beiträgt. Ihr wesentlicher Mangel ist die Dominanz des deutschen Blickwinkels. Die Menschen der Region erscheinen im Wesentlichen als Objekte fremden Handelns. Natürlich ist es viel zu spät für eine Befragung von Zeitzeugen, aber da die Autorin des Albanischen nicht mächtig ist, begab sie sich der Chance, schriftliche Hinterlassenschaften, Verhörprotokolle etc. auszuwerten, um mehr Binnenperspektive auf die albanischen Muslime zu gewinnen, die in der Waffen-SS kämpften.
Anmerkungen:
[1] Dželetović Ivanov: 21. SS Divizija Skenderbeg, Belgrad 1987; Laurent Latruwe / Gordana Kostic: La Division Skanderbeg. Histoire des Waffen-SS albanais des origines idéologiques aux débuts de la guerre froide, Paris 2004.
[2] Lindita Arapi-Boltz: Wie Albanien albanisch wurde. Rekonstruktion eines Albanienbildes, Marburg 2005.
Michael Schmidt-Neke