Roberto Lambertini (a cura di): Università, teologia e studium domenicano dal 1360 alla fine del Medioevo. Atti del convegno di studi (Bologna, 21-23 ottobre 2011) (= Memorie Domenicane. Nuova Serie; Nr. 45), Firenze: Edizioni Nerbini 2015, 549 S., ISBN 978-88-6434-080-7, EUR 70,00
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Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein galt die Theologie als "vornehmste" Fakultät einer Volluniversität - zumindest in den Ländern, in denen sie trotz Revolutionen und Bürgerkriegen ihre Stellung als vollwertiges Mitglied der universitas scholarium et studentium behaupten konnte. Dies ist auch als Verbeugung vor der exklusiven Stellung der Theologie innerhalb der frühen Universitätsgründungen an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert zu verstehen. Lange Zeit war universitäre Theologie ein Alleinstellungsmerkmal der Universität Paris - eifersüchtig gehütet und verteidigt, garantierte sie doch eine vorherrschende Rolle in Glaubens- und Lehrfragen durch die in der französischen Metropole Lehrenden. Die Anziehungskraft war enorm, einige der brillantesten Geister der Zeit tummelten sich an den Ufern der Seine. Paris selbst profitierte auf spirituell-theologischem, politischem und wirtschaftlichem Gebiet. Monopole laden jedoch stets dazu ein, gebrochen zu werden. So auch im Falle von Paris. Bei der Neugründung der Universität Prag im Jahr 1348 war - dem guten Verhältnis von (Kaiser) Karl IV. und Papst Clemens VI. sei Dank - bereits eine theologische Fakultät mit konzipiert worden. Dies öffnete die Schleusen. In den folgenden Jahrzehnten waren auch kleinere Universitäten, zumal in Italien, außerordentlich erfolgreich in ihrem Bemühen, die Theologie in den universitären Lehrbetrieb zu integrieren. Dies gilt auch für Bologna, eine Universität, die zusammen mit Paris bis heute den Anspruch erhebt, die älteste Universität des Abendlands zu sein. Wie an so vielen anderen Orten war in Bologna, einer Stadt, deren internationale Ausstrahlung vor allem auf der leistungsfähigen juristischen Fakultät beruhte, Theologie bisher "nur" an den Generalstudien der Bettelorden gelehrt worden. Welche Gründe für die Eingliederung dieser Generalstudien in die Universität ausschlaggebend waren, wer die dramatis personae waren, welche Probleme es zu bedenken, welche Konflikte es zu lösen galt, damit beschäftigte sich bereits 2011 eine Bologneser Tagung, deren Vorträge nun in gedruckter Form vorliegen.
In seinem einleitenden Überblicksbeitrag geht Peter Denley zunächst auf den universitätsgeschichtlichen Kontext der Gründung einer Theologischen Fakultät in Bologna 1364 ein (Teologia, poteri, ordini, università nel tardo medioevo. Aspetti istituzionali, 11-27). In die bestehenden rechtlich-institutionellen Strukturen der Bologneser Hochschule konnte die Theologie nämlich nicht so einfach integriert werden: während in Paris eine klar hierarchische Organisationsform mit den Professoren an der Spitze vorherrschte, war es der Universität Bologna durch die starke Stellung der dortigen Studenten kaum möglich, mit einer Stimme zu sprechen. Die Furcht insbesondere der Kurie war verständlich: sollten einfache Studenten ein Mitspracherecht im theologischen Lehrbetrieb erhalten? Sicherlich nicht: andere Lösungen mussten gefunden werden. Lange hatte man päpstlicherseits damit argumentiert, ein Erwerb höherer theologischer Bildung sei durch die Existenz von Ordensstudia gesichert, doch trug diese Begründung nicht mehr. Die Zeit war reif: 1364 entstand die neue Fakultät als hybrides Gebilde, war sie doch eher entlang institutioneller Vorgaben aus Paris strukturiert, die in das bestehende Bologneser Modell integriert werden mussten. Denley spricht zu Recht von einem Bologneser "Sonderweg" (27), der von der Flexibilität, ja Modernität des italienischen Systems zeugt.
Der Eingriff in bestehende institutionelle Strukturen war beträchtlich. Wenig überraschend rief dies Gegenreaktionen von Seiten der bisher dominierenden Rechtsgelehrten hervor. Darauf geht Helmut G. Walther in seinem lesenswerten Beitrag ein (Giuristi contro teologi. Il contesto storico della nascita della facoltà di teologia dell'Università di Bologna, 29-42). Die Konkurrenz, die universitätsintern durch die Eingliederung einer neuen Fakultät entstand, war zahlenmäßig zwar gering, doch wirkten Artisten und Theologen mit ihrer beißenden Kritik am intellektuellen Niveau der Bologneser Juristenausbildung nicht unbedingt werbetauglich. Die Juristen also: Ihrem großen Einfluss wird zusätzlich anhand einiger Beiträge nachgespürt, die eher biografischer Natur sind. Während Maria Consiglia de Matteis dem pro-päpstlichen Juristen Giovanni da Legnano, der 1377 zum Generalvikar des Papstes in Bologna aufsteigen sollte, nur einige wenig Seiten widmet, die der eigentlichen Bedeutung dieses versierten Juristen, Philosophen und Diplomaten für die Geschicke Bolognas und der dortigen Universität kaum gerecht werden (Giovanni da Legnano e lo studium di Bologna, 75-81), gibt Andrea Padovani mit seiner biografischen Skizze des Giovanni da Imola, dessen wissenschaftliches Schaffen noch weit davon entfernt ist, aufgearbeitet zu sein, einen Vorgeschmack auf die angekündigte, umfassende Monografie zu seiner Person (Un giurista del primo Quattrocento: Giovanni da Imola iuris utriusque doctor (1372 ca. - 1436), 199-215).
Doch im Zentrum steht die Theologische Fakultät, zuvorderst die in den Gründungsprozess involvierten Personen und hier an erster Stelle der päpstliche Legat Egidio Albornoz. José Guillermo García Valdecasas widmet seiner Person einige ausgesprochen instruktive Seiten (Il cardinal Albornoz e la fondazione della facoltà di teologia a Bologna, 59-73). Albornoz' Aufgabe war delikat, war die Universität in den Jahren vor 1364 doch in schweres Fahrwasser geraten und hatte als Opfer innerstädtischer Auseinandersetzungen fast zu existieren aufgehört. Albornoz musste gleichermaßen als "storicista" und als "riformatore" (62) wirken. Als einer der Hauptakteure in einem Netz, in dem sich der Papst, Giovanni da Oleggio als Stadtherr von Bologna und die seit Jahrzehnten die Kirche herausfordernden Visconti in Mailand gegenseitig belauerten, war es für ihn ausgesprochen schwierig, einen Interessensausgleich herbeizuführen (insbesondere nachdem es Bernabò Visconti gelungen war, einen Großteil der Mitglieder des Kardinalskollegs zu kaufen und so Sand ins Getriebe der Aktivitäten Albornoz' zu streuen). Innocenz VI. ließ sich beeinflussen, schickte mit Androuin de la Roche einen neuen Visconti-hörigen Kardinallegaten, verhängte gar das Interdikt und verlängerte - zu Lasten der kurialen Kassen, zum Entsetzen der Bologneser Bevölkerung - das Gezerre um die Stadt. Dass dabei auch die Universität litt, versteht sich von selbst. Vielleicht verklärt der Autor den Protagonisten etwas zu sehr, wenn er vom "dolore morale di un uomo grande e giusto" (64) spricht, doch Bologna scheint Albornoz tatsächlich am Herzen gelegen zu haben. Davon zeugen nicht zuletzt die testamentarischen Verfügungen, mit denen das Spanische Kolleg gegründet wurde, dessen originale Quellenbestände - "la più importante raccolta di codici medievali appartenente a un'istituzione privata in Italia" (72) - auch heute noch nicht annähernd ausgeschöpft sind. Vorliegender Beitrag schöpft aus diesem Fundus und stellt den ersten Entwurf eines später noch mehrfach überarbeiteten Schreibens vom 30. August 1360 vor, in dem der Papst den Bolognesern seine endgültige Abkehr von der Visconti-Option verkündete. 1362 errichtete Innocenz VI. qua Bulle die neue Fakultät, realiter in Kraft traten die Verfügungen jedoch erst zwei Jahre später.
Wer agierte innerhalb der neuen Fakultät? Auch hierzu erfährt man einiges. In einem gemeinsamen Beitrag gehen Francesca Bartolacci und Roberto Lambertini auf die Person des Tommaso da Fermo ein, der - völlig ungewöhnlich - 1372 vom Bischof von London zum Priester geweiht wurde und seit 1401 als 24. Generalmagister des Predigerordens agierte (Tommaso da Fermo, da baccelliere a Bologna a generale dell'ordine, 83-97). Gezeichnet wird das Bild eines taktisch klugen und versierten Politikers, der bei seinem Handeln auf dem aufbauen konnte, was an der Alma mater Boloniensis vermittelt worden war. Luciano Cinelli stellt mit Dominik von Flandern einen Dominikaner vor, der zwischen 1462 und 1470 als Lehrer am Bologneser studium nachweisbar ist (Domenico da Fiandra. La carriera di un frate predicatore del Quattrocento fra Bologna e Firenze, 147-169). Die Kontextualisierung der Persönlichkeit nimmt im Beitrag aber oftmals größeren Raum ein als die insgesamt eher spärlichen, durch Quellen abgesicherten Angaben zu Leben und Werk. Man erfährt deshalb viel über die Einführung der Observanz in S. Domenico, über Genese und Entwicklung der dortigen Konventsbibliothek oder über die thomistischen (Lehr-)Traditionen des 15. Jahrhunderts, vergleichsweise wenig aber über Dominik von Flandern selbst, dessen Hauptwerk, die Summa divinae philosophiae, ein Kommentar zur Aristotelischen Metaphysik, noch immer einer kritischen Edition harrt.
Fast jeder der 13, inhaltlich aufeinander Bezug nehmenden Beiträge eröffnet eine neue Sicht auf Bologna, seine Universität und die Theologische Fakultät in einem zeitlichen Rahmen, der vom Jahr 1360 bis ins frühe 16. Jahrhundert reicht. Anknüpfungspunkte für weiterführende Forschungen gibt es zu Hauf - nicht das Schlechteste, was sich über eine solche Publikation sagen lässt.
Ralf Lützelschwab