Friedrich Edelmayer / Maximilian Lanzinner / Peter Rauscher (Hgg.): Finanzen und Herrschaft. Materielle Grundlagen fürstlicher Politik in den habsburgischen Ländern und im Heiligen Römischen Reich im 16. Jahrhundert (= Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung; Bd. 38), München: Oldenbourg 2003, 319 S., ISBN 978-3-486-64851-5, EUR 49,80
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Der vorliegende Sammelband "Finanzen und Herrschaft" versteht sich als Ergänzung zu einem 1999-2002 an der Universität Wien durchgeführten Forschungsprojekt zu den kaiserlichen Finanzen unter Ferdinand I. und Maximilian II. Er versammelt Beiträge zu unterschiedlichen Aspekten frühneuzeitlicher Finanzverwaltung, wobei jedoch sowohl das Profil des Bandes als auch seine Ziele nicht klar genug umrissen sind. Die stärksten Momente hat die Publikation dort, wo sie die in der Einleitung angestrebte Fokussierung auf den Kaiserhof und die zentralen Finanzbehörden der Landesteile einhält (16). Da sich jedoch nicht alle Autoren in gleichem Umfang an diese Einschränkung halten, wirken einzelne der behandelten Aspekte zwar für sich interessant, tragen aber wenig zum Verständnis der übergeordneten Thematik bei.
In der Einleitung listen die Autoren mögliche Erkenntnisziele einer Analyse von Finanzquellen auf (11-14). Sie erwähnen dabei die Rolle von Finanzen bei der innen- und außenpolitischen Entwicklung von Territorien, ihr Potenzial für die Rekonstruktion sowohl vergangener Lebensverhältnisse als auch der Strukturen politischer Herrschaft und Verfasstheit sowie ihren Einfluss auf die frühneuzeitliche Staatsbildung. Dass Edelmayer / Lanzinner / Rauscher hier die wirtschaftlichen Auswirkungen von Staatsfinanzen vergessen, mag ihnen verziehen werden, da sie keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Dennoch ist die Messlatte für die Beiträge des Bandes hoch angelegt. Sie wird, um es vorweg zu nehmen, nur in einzelnen Kapiteln erreicht. Ihren am Schluss der Einleitung formulierten Hauptzielen, den "aktuellen Stand des finanzgeschichtlichen Wissens über die Länder des Habsburgreichs zu dokumentieren und im Gang befindliche Forschungen und deren Ergebnisse zu präsentieren" (19), werden die Autoren im Rahmen der Möglichkeiten eines solchen Sammelbandes aber dennoch gerecht.
Bereits in der Einleitung zeigt sich das Grundproblem des Bandes, nämlich die beinahe vollständige Absenz theoretischer Überlegungen. Symptomatisch ist, dass die Ansätze hierzu von Richard Bonney zwar erwähnt werden, dabei aber ungenau zitiert wird. [1] Über einen solchen Lapsus könnte hinweggesehen werden, wenn er nicht mit einer missverständlichen Wiedergabe der theoretischen Modelle zur Entwicklung frühneuzeitlicher Staatsfinanzen verbunden wäre. Das Dreistufenmodell von Kersten Krüger (Domänen-, Finanz- und Steuerstaat) wurde nicht, wie von Edelmayer / Lanzinner / Rauscher behauptet (10), auf ein Zweistufenmodell reduziert. Vielmehr fügte Krüger selbst dem Modell von Joseph A. Schumpeter - welches die Autoren erwähnen - eine Zwischenstufe für das 16. Jahrhundert bei. Bonney und Ormrod schließlich bestreiten die Berechtigung einer solchen Zwischenphase und präsentieren ein Vierstufenmodell ohne Finanzstaat, dafür mit einer vor- und einer nachgelagerten Phase (Tribut-, Domänen-, Steuer- und Fiskalstaat).
Selbstverständlich dürfen solche Modelle nicht für mehr gehalten werden als sie sind, nämlich grobe Vereinfachungen oder Typologien. Unter dieser Einschränkung hätten sie jedoch gerade für eine vergleichende Analyse großes Potenzial. Wenn die Herausgeber beklagen, dass trotz der "Impulse für die beschreibende Modellbildung [...] die Herrscherfinanzen der Frühen Neuzeit in der deutschsprachigen Forschung kaum Interesse" finden (11), so trägt daran leider auch die Finanzgeschichte selbst einen Teil der Schuld, wenn sie ihre Möglichkeiten diesbezüglich nicht voll ausschöpft. Im Fall von "Finanzen und Herrschaft" ist dies insofern schade, als hier sehr viel brauchbares Material vorläge, um diesem Forschungsdefizit Abhilfe zu schaffen.
Auf eine detaillierte Zusammenfassung der einzelnen Beiträge kann hier verzichtet werden, zumal dies im Band gleich an zwei Stellen geschieht (17-19 und 291-304). Als besonders lobenswert hervorzuheben ist die Tatsache, dass durch die Begrenzung des Themas verschiedene Autoren sich mit unterschiedlichen Zugängen den gleichen Sachverhalten widmen, wobei es jeweils weitgehend dem Leser überlassen bleibt, Parallelen zu ziehen und Unterschiede zu sehen. Beispielsweise geht auf das von Géza Pákffy (20-44) dargestellte Grundproblem der Finanzierung der Türkenabwehr Peter Rauscher in seinem Beitrag über die Reichstürkenhilfen (45-83) ebenso ein wie István Kenyeres (84-122) aus ungarischer oder Bronislav Chocholáč und Tomáš Sterneck (123-142) aus mährischer Sicht.
Ein weiterer Themenkomplex, der immer wieder auftaucht, ist die Finanzierung über Schulden. Julia Zangerl liefert eine anregende Studie über das Wiener Salzamt, welches im Verlaufe des 16. Jahrhunderts immer mehr zur Kreditfinanzierung herangezogen wurde (215-233). Während Reinhard Hildebrandts Darstellung über den Kaiser und seine Bankiers (234-245) relativ allgemein gehalten ist, widmen sich Sabine Höld und Barbara Staudinger einer vertieften Untersuchung einer einzigen Gruppe von Kreditgebern, den Juden (246-269). Das Hauptproblem in ihrer Studie liegt darin, dass jüdische Kreditgeber vor der Regierungszeit Rudolfs II. nur eine geringe Bedeutung spielten. Ein Großteil ihres durchaus interessanten Materials stammt deshalb aus dem späten 16. und frühen 17. Jahrhundert.
Noch mehr aus dem zeitlichen Rahmen fällt der Artikel von Michael Cramer-Fürtig, der für die Zeit vom Spätmittelalter bis zum 18. Jahrhundert die Methoden der Finanzkontrolle und Rechnungsprüfung anhand von Quellen zum Herzogtum Bayern beleuchtet (270-290). Sein Beitrag ist offen genug formuliert, dass sich daraus eine Typologie ableiten liesse, doch fehlt letztlich die Einbettung in den Kontext des Sammelbandes. Auch wenn Uwe Schirmer die Finanzen im Kurfürstentum Sachsen beschreibt (143-185), sucht der Rezensent dabei vergeblich nach einem Zusammenhang mit dem in der Einleitung postulierten Fokus des Buches. Seine Ausführungen zum "Krösus unter den Territorien des Alten Reichs" (182) ist dennoch als Einzelstudie gut gelungen und kann als Vergleichsbeispiel dienen. Das Wechselspiel zwischen den im Buchtitel erwähnten Größen 'Finanzen' und 'Herrschaft' kommt vermutlich nirgends so gut zum Ausdruck wie in der Studie von Peter Vorel zu Landesfinanzen und Währungspolitik in Böhmen (186-214). Darin zeigt er eindrücklich auf, wie Währungspolitik als Waffe im Ständekonflikt eingesetzt wurde, sowohl zwischen dem Kaiser und den Ständen als auch innerhalb der Ständeversammlung zwischen Adel und Städten.
Am Schluss des Bandes fasst Maximilian Lanzinner die Beiträge noch einmal zusammen (291-304). So sehr dies dem eiligen oder vergesslichen Leser dienlich ist, im Schlusskapitel dürfte doch etwas mehr Vergleich und Einordnung erwartet werden. Beispielsweise ließe sich für einige der untersuchten Gebiete mit relativ wenig Zusatzaufwand ein Näherungswert zur Pro-Kopf-Belastung durch die Finanzierung der Türkenabwehr berechnen. Auf diese Weise würden vergleichende Aussagen auf ein verbindlicheres Fundament gestellt. Dies wäre im vorgegebenen Fall umso eher möglich, als die Territorien trotz all ihrer Unterschiede als Teile des Habsburger Imperiums gewisse Rahmenbedingungen und Probleme teilten. Ansätze für einen Vergleich sind bei Lanzinner durchaus vorhanden. So reduziert er die Währungsvielfalt der anderen Autoren und rechnet alle Beträge in Reichsgulden (fl.) um, obwohl er sich aus verständlichen Gründen nicht auch noch um die Geldentwertung kümmern kann (291, Fußnote 1). Eine Tabelle mit den Paritäten der verwendeten Währungen im Anhang würde den Überblick etwas erleichtern. Gewichtiger ist jedoch die Kritik, dass im Schlusskapitel auf eine Einbettung der Beiträge in einen größeren Forschungszusammenhang weitgehend verzichtet wird.
Insgesamt zeigt die Publikation in Ansätzen, was mit Finanzquellen möglich wäre, nämlich ihre Verwendung nicht nur für die Finanzgeschichte und Finanzsoziologie, sondern auch ihr Einbezug in die Verfassungs- oder die Sozialgeschichte. Leider teilt der Sammelband mit vielen ähnlich gelagerten Projekten den Nachteil, dass er letztlich mehr ein Nebeneinander durchaus interessanter Einzelartikel als einen umfassenden Vergleich bietet. Wo er darüber hinaus geht, ist er zweifellos lesenswert und kann als viel versprechender Anfang betrachtet werden.
Anmerkung:
[1] Edelmayer / Lanzinner / Rauscher (9-10) zitieren wörtlich, aber ohne genauen Verweis, aus einem Artikel von Bonney und Ormrod. Das direkte Zitat stammt eigentlich von Bonney alleine, nämlich aus: R. Bonney: "Introduction", in: Ders. (Hg.): The Rise of the Fiscal State in Europe, Oxford 1999, 13. Dort verweist er auf R. Bonney und W. M. Ormrod: "Introduction", in: W. M. Ormrod / M. Bonney / R. Bonney (Hg.): Crises, Revolutions and Self-Sustained Growth, Stamford 1999.
Stefan Altorfer